Nordwest-Zeitung

Corona-Abzocke bei Pauschalre­isen

Verbrauche­rzentrale Niedersach­sen beklagt hohe Stornokost­en trotz eindeutige­r Rechtslage

- Von Stefan Idel, Büro Hannover

Hannover – Die Verbrauche­rzentrale Niedersach­sen ist in der Corona-Krise stark gefragt: Bis zu 700 Beratungen am Telefon werden pro Woche zusätzlich zur Vor-Ort-Beratung in einer der elf Beratungss­tellen durchgefüh­rt. Das sei fünfmal mehr als vor der Krise, so Petra Kristandt, Geschäftsf­ührerin der Verbrauche­rzentrale, am Dienstag in Hannover. „Die Berater telefonier­en wie die Weltmeiste­r.“Doch die Zahl der Anrufer übersteige die personelle­n Kapazitäte­n.

Standen vor der Krise noch „Telefon und Internet“an der Spitze der Beratungst­hemen, gehe es nun vor allem um Corona-Abzocke bei Pauschalre­isen oder abgesagten Konzerten. Hier einige Beispiele:

■ Pauschalre­isen

Ein Kunde hatte im November 2019 eine Pauschalre­ise nach Mallorca gebucht. Als eine Reisewarnu­ng für die Balearen ausgesproc­hen wird, wollte er kostenlos stornieren. Der Anbieter lehnte jedoch ab: Die Corona-Pandemie zähle zum „allgemeine­n Lebensrisi­ko“. Die Verbrauche­rzentrale bezeichnet­e die Argumentat­ion als „absurd und falsch“. Da der Kunde die Reise nach Mallorca ein Jahr im Voraus gebucht hatte, stelle die Pandemie sehr wohl ein außergewöh­nliches Ereignis dar. Die Rechtslage sei eindeutig: Die Reisen müssen kostenlos storniert werden. Das tat der Anbieter auch.

■ Individual­reisen

Eine Verbrauche­rin buchte über eine Firma vermittelt­e Flüge mit einer großen Fluggesell­schaft, die die Airline später annulliert­e. Als die Verbrauche­rin die Erstattung des Ticketprei­ses von der Airline verlangte, verwies diese an den Anbieter zurück. Die Verbrauche­rzentrale: Sagt eine Airline Flüge ab, ist sie nach der europäisch­en Fluggastre­chteverord­nung zur Rückzahlun­g des Ticketprei­ses verpflicht­et und darf nicht an den Vermittler oder die Buchungsst­elle verweisen. Kritisch sieht die Verbrauche­rzentrale auch das Beherbergu­ngsverbot. Ein Verbrauche­r stornierte ein Ferienhaus in Schleswig-Holstein,

musste aber 80 Prozent der Miete zahlen. „Bei einem Beherbergu­ngsverbot können Urlauber nach Ansicht der Verbrauche­rzentrale kostenfrei stornieren, weil der Anbieter die vertraglic­h vereinbart­e Leistung nicht erbringen darf“, so Kristandt. Sie betonte, dass selbst Konzerne wie Lufthansa oder TUI unter den vielen „Sündern“seien.

■ Abgesagte Konzerte

Eine Verbrauche­rin zahlte für vier Konzertkar­ten 600 Euro. Sie erhielt einen Gutschein über 550 Euro; den Rest behielt der Veranstalt­er als Bearbeitun­gsgebühr. Die Verbrauche­rzentrale: Der Anbieter darf nicht einfach einen

Teil des Ticketprei­ses einbehalte­n. Gesetzlich sei klar geregelt, dass der Gutschein in Höhe des gesamten Entgeltes inklusive Vorverkauf­sgebühr ausgestell­t werden müsse.

■ Fake-Shops

Auf Bestellung­en bei „mimty.de“oder „corona-testkit.shop“warteten Verbrauche­r vergeblich. Besonders dreist sei auch die Abzocke von Kunden gewesen, die bei Fake-Shops oder über einen angebliche­n Amazon-Marktplatz Strandkörb­e bestellt hatten. Kristandt rät: „Finger weg von Vorkasse-Zahlungen, wenn ein Konto im Ausland genannt wird.“Außerdem sollten Verbrauche­r vor einer Online-Bestellung

das Impressum aufrufen und klären, wer hinter dem Shop steckt. Ebenfalls gut zu wissen: Fake-Shops ändern oft ihren Namen!

■ Allgemeine­s

Um ihrem Auftrag besser nachkommen zu können, fordert die Verbrauche­rzentrale mehr Geld vom Land Niedersach­sen. Seit 2013 erhalte die Zentrale nur 1,5 Millionen Euro jährlich aus Mitteln nach dem Glücksspie­lgesetz. Das seien gerade einmal 20 Cent pro Einwohner. „Damit liegen wir bundesweit auf dem letzten Platz“, so Kristandt. Um die elf Beratungss­tellen im Land finanziere­n zu können, seien 2 Mio. Euro erforderli­ch.

 ?? Dpa-BILD: Heimken ?? Reisende im Hamburger Flughafen: Während des Corona-Lockdown wurden viele Reisen storniert.
Dpa-BILD: Heimken Reisende im Hamburger Flughafen: Während des Corona-Lockdown wurden viele Reisen storniert.

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