Corona-Abzocke bei Pauschalreisen
Verbraucherzentrale Niedersachsen beklagt hohe Stornokosten trotz eindeutiger Rechtslage
Hannover – Die Verbraucherzentrale Niedersachsen ist in der Corona-Krise stark gefragt: Bis zu 700 Beratungen am Telefon werden pro Woche zusätzlich zur Vor-Ort-Beratung in einer der elf Beratungsstellen durchgeführt. Das sei fünfmal mehr als vor der Krise, so Petra Kristandt, Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale, am Dienstag in Hannover. „Die Berater telefonieren wie die Weltmeister.“Doch die Zahl der Anrufer übersteige die personellen Kapazitäten.
Standen vor der Krise noch „Telefon und Internet“an der Spitze der Beratungsthemen, gehe es nun vor allem um Corona-Abzocke bei Pauschalreisen oder abgesagten Konzerten. Hier einige Beispiele:
■ Pauschalreisen
Ein Kunde hatte im November 2019 eine Pauschalreise nach Mallorca gebucht. Als eine Reisewarnung für die Balearen ausgesprochen wird, wollte er kostenlos stornieren. Der Anbieter lehnte jedoch ab: Die Corona-Pandemie zähle zum „allgemeinen Lebensrisiko“. Die Verbraucherzentrale bezeichnete die Argumentation als „absurd und falsch“. Da der Kunde die Reise nach Mallorca ein Jahr im Voraus gebucht hatte, stelle die Pandemie sehr wohl ein außergewöhnliches Ereignis dar. Die Rechtslage sei eindeutig: Die Reisen müssen kostenlos storniert werden. Das tat der Anbieter auch.
■ Individualreisen
Eine Verbraucherin buchte über eine Firma vermittelte Flüge mit einer großen Fluggesellschaft, die die Airline später annullierte. Als die Verbraucherin die Erstattung des Ticketpreises von der Airline verlangte, verwies diese an den Anbieter zurück. Die Verbraucherzentrale: Sagt eine Airline Flüge ab, ist sie nach der europäischen Fluggastrechteverordnung zur Rückzahlung des Ticketpreises verpflichtet und darf nicht an den Vermittler oder die Buchungsstelle verweisen. Kritisch sieht die Verbraucherzentrale auch das Beherbergungsverbot. Ein Verbraucher stornierte ein Ferienhaus in Schleswig-Holstein,
musste aber 80 Prozent der Miete zahlen. „Bei einem Beherbergungsverbot können Urlauber nach Ansicht der Verbraucherzentrale kostenfrei stornieren, weil der Anbieter die vertraglich vereinbarte Leistung nicht erbringen darf“, so Kristandt. Sie betonte, dass selbst Konzerne wie Lufthansa oder TUI unter den vielen „Sündern“seien.
■ Abgesagte Konzerte
Eine Verbraucherin zahlte für vier Konzertkarten 600 Euro. Sie erhielt einen Gutschein über 550 Euro; den Rest behielt der Veranstalter als Bearbeitungsgebühr. Die Verbraucherzentrale: Der Anbieter darf nicht einfach einen
Teil des Ticketpreises einbehalten. Gesetzlich sei klar geregelt, dass der Gutschein in Höhe des gesamten Entgeltes inklusive Vorverkaufsgebühr ausgestellt werden müsse.
■ Fake-Shops
Auf Bestellungen bei „mimty.de“oder „corona-testkit.shop“warteten Verbraucher vergeblich. Besonders dreist sei auch die Abzocke von Kunden gewesen, die bei Fake-Shops oder über einen angeblichen Amazon-Marktplatz Strandkörbe bestellt hatten. Kristandt rät: „Finger weg von Vorkasse-Zahlungen, wenn ein Konto im Ausland genannt wird.“Außerdem sollten Verbraucher vor einer Online-Bestellung
das Impressum aufrufen und klären, wer hinter dem Shop steckt. Ebenfalls gut zu wissen: Fake-Shops ändern oft ihren Namen!
■ Allgemeines
Um ihrem Auftrag besser nachkommen zu können, fordert die Verbraucherzentrale mehr Geld vom Land Niedersachsen. Seit 2013 erhalte die Zentrale nur 1,5 Millionen Euro jährlich aus Mitteln nach dem Glücksspielgesetz. Das seien gerade einmal 20 Cent pro Einwohner. „Damit liegen wir bundesweit auf dem letzten Platz“, so Kristandt. Um die elf Beratungsstellen im Land finanzieren zu können, seien 2 Mio. Euro erforderlich.