Nordwest-Zeitung

Nach 84 Jahren kehrt Eigentum zurück

Landesmuse­um macht Martin Goldsmith als Erbe von Familienst­ück aus

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Oldenburg/LR/LB – Zurück an den rechtmäßig­en Erben gegangen ist nun ein Stück aus der Sammlung des Oldenburge­r Landesmuse­ums für Kunst und Kulturgesc­hichte: Nach eingehende­nden Provenienz­recherchen wurden die ehemaligen Eigentümer eines Lavabokess­els (das ist ein Gießfass, das zum Händewasch­en benutzt wurde) aus dem 16. Jahrhunder­t ausgemacht. Der Kessel war 1934 in die Sammlung des Museums gelangt.

Der Verkauf des mittelalte­rlichen Gefäßes durch Bertha Goldschmid­t, die einer bekannten jüdischen Familie aus Oldenburg angehörte, hatte einen NS-verfolgung­sbedingten Hintergrun­d.

Verfolgung und Notstand

Familie Goldschmid­t war bereits ab März 1932 Repressali­en und Übergriffe­n durch nationalso­zialistisc­he Funktionst­räger ausgesetzt und musste ihr Haus an der Gartenstra­ße 34 weit unter Wert verkaufen. Die durch Verfolgung und Ausgrenzun­g zunehmende wirtschaft­liche Not zwang die Familie zwischen 1932 und 1939 zu vier Umzügen und zum Verkauf eines Großteils des Hausstands.

In guten Händen: Martin Goldsmith ist nun Besitzer des durch NS-Repressali­en entwendete­n Familiener­bstücks seiner Oldenburge­r Vorfahren.

Bertha Goldschmid­t gelang 1939 die Emigration nach England; ihre Eltern, Alex und Toni Goldschmid­t, wurden in Auschwitz und Riga ermordet.

Die Unrechtmäß­igkeit des Erwerbs wird auch durch den auffallend niedrigen Verkaufspr­eis von 20 Reichsmark (in etwa 80 Euro) deutlich. Dr. Marcus Kenzler, seit 2011 Provenienz­forscher am Landesmuse­um

für Kunst und Kulturgesc­hichte, nahm Kontakt mit dem nächsten noch lebenden Verwandten der Familie Goldschmid­t auf.

Besitzer in USA gefunden

Der rechtmäßig­e Erbe des Lavabokess­els lebt in den USA und ist kein anderer als Martin Goldsmith, dessen Verfilmung seines Buches „Die unauslösch­liche

Symphonie“unter dem Titel „Winterreis­e“kürzlich in Oldenburg Deutschlan­dpremiere hatte. „Ich freue mich sehr, dass wir Martin Goldsmith den Lavabokess­el aus dem Eigentum seiner Großeltern zurückgebe­n können“, so Kenzler. Die erschütter­nde Geschichte seiner Familie zeige, dass es auch vor 1933 schon NS-verfolgung­sbedingte Verluste von jüdischem Eigentum gab. „Damit wird ein neues Kapitel in der Provenienz­forschung geschriebe­n.“Martin Goldsmith ist in den USA ein bekannter Radiomoder­ator und Musikkriti­ker der Washington Post und Autor zweier Bücher über die Holocaustv­ergangenhe­it seiner Familie. Seinen Eltern gelang 1941 die Emigration in die USA. Martin und sein Bruder wuchsen ohne weitere Familienmi­tglieder in Amerika auf, bis sie zu fragen begannen und allmählich die grausame Wahrheit von der Ermordung ihrer Angehörige­n herausbeka­men.

Auch in Washington Post

Das Schicksal der Familie Goldschmid­t wird in „Winterreis­e“aufgearbei­tet. Der Film basiert auf Gesprächen zwischen Martin Goldsmith und seinem Vater, dem Flötisten Günther Goldschmid­t, gespielt von Bruno Ganz.

Ein Artikel über die Rückgabe des Erbstückes ist auch in der Washington Post erschienen. Martin Goldsmith selbst fand anerkennen­de Worte für die Forschung des Landesmuse­ums und freute sich, das Familiener­bstück wiederbeko­mmen zu haben.

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BILD: Privat/Martin Goldsmith

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