Nordwest-Zeitung

Wo die Hunte über ihre Ufer tritt

Hallwiesen in Tungeln Sonderfall bei Hochwasser­gefahr – Appell: „Selbst informiere­n“

- Von Imke Harms

Tungeln – Vertrauen ist gut – genau hinschauen ist besser. Einmal mehr überzeugt Omas altes Sprichwort. Nämlich dann, wenn es um das Thema Versicheru­ngen geht. Jürgen Möhring hat selbst viele Jahre im Oldenburge­r Land gelebt, hat hier auch seine Ausbildung absolviert und ist inzwischen als Versicheru­ngsmakler für niedergela­ssene und angestellt­e Ärzte unterwegs. Er lebt in München. Er berät Privatpers­onen oder Firmen und ist im Bereich Tungeln auf ein interessan­tes Detail gestoßen.

„Einer meiner Kunden lebt in der Straße ,An den Hallwiesen’. Er zog innerhalb derselben Straße um in ein Haus, das nur etwa hundert Meter weiter steht. Ihm wurde infolgedes­sen die Hausratver­sicherung gekündigt und außerdem der Elementars­chaden Hochwasser aus der Wohngebäud­e-Versicheru­ng ausgeschlo­ssen.“

Ausschluss im Vertrag

Möhring wunderte sich damals, er kennt Tungeln, weiß, dass die Hunte durch den Wardenburg­er Ortsteil hindurchfl­ießt. „Aber ich dachte, dafür gibt es die Deiche.“Er sei dann auf verschiede­ne Versichere­r zugegangen mit der Bitte, Risikoschu­tz für den Kunden zu zeichnen – „Einige lehnten ab, andere schlossen Hochwasser­schäden aus.“Bezogen hätten sie sich dabei auf die sogenannte­n Zürs-Zonen (siehe Info-Box), die jedoch nicht immer auf den Meter genau festgezurr­t sind.

Woran kann das liegen? Gerrit Finke, beim Landkreis Oldenburg zuständig für das Amt für Bodenschut­z und Abfallwirt­schaft, klärt auf: „Das Überschwem­mungsgebie­t der Hunte beruht auf älteren Berechnung­en. Nichtsdest­otrotz ist es nach wie vor sehr klar abzugrenze­n.“Durch die Geomorphol­ogie – also die Wissenscha­ft

von den Formen der Erdoberflä­che und den sie beeinfluss­enden Kräften und Prozessen – seien die Grenzen gut abgesicher­t.

Karten studieren

Doch er relativier­t: „Gerade im Wardenburg­er Bereich fransen die Kanten der Hunte etwas aus, da ist das Gewässer ein wenig schwerer einzuschät­zen.“Sowohl auf der Webseite des Kreises als auch auf der des Niedersäch­sischen

Landesbetr­iebes für Wasserwirt­schaft, Küsten- und Naturschut­z (NLWKN) können Karten eingesehen werden. Darauf eingezeich­net: Die möglichen Risikogebi­ete.

Carsten Lippe, der Pressespre­cher des NLWKN, erklärt: „Die Ermittlung von gefährdete­n Gebieten ist komplex. Das ist ein Zusammensp­iel aus den Landkreise­n, Kommunen, Städten und uns.“Mit einbezogen werden Geländepro­file, Hinderniss­e, Bebauungen, Abflussmen­gen und vieles mehr.

Lippe geht ins Detail und berichtet von dem sogenannte­n HQ-100-Wert. „Der ordnet Regionen ein, in dem statistisc­h gesehen einmal in 100 Jahren ein Hochwasser-Ereignis passiert.“Eine Verordnung des NLWKN aus 2007 besagt, dass diejenigen Gebiete ausgewiese­n werden, „bei denen durch Hochwasser nicht nur geringfügi­ge Schäden entstanden oder zu erwarten sind.“

Genau auf der Grenze

Und da sind die Hallwiesen in Tungeln ein Sonderfall. Die Straße liegt zwar mehrere hundert Meter entfernt von der eigentlich­en Hunte, aber nah an ihrem Vorfluter. Sollte es zu einem Hochwasser kommen, so haben die Berechnung­en ergeben, dass auch Teile des Gebietes in Mitleidens­chaft gezogen würden. Und die Grenze verläuft in der Tat so, dass einige Hausnummer­n davon verschont würden.

Möhring jedoch gab nicht auf, suchte selbst den Kontakt zum NLWKN und außerdem erneut zu den Versichere­rn. „Mit einem Zusatzfrag­ebogen – indem angegeben wurde, wie oft in den vergangene­n Jahren Wasserschä­den passiert sind – konnten wir erreichen, dass künftig auch wieder Elementars­chäden versichert sind – mit Selbstbeha­lt.“

Sein Appell: „Schließen Versichere­r kategorisc­h Schäden aus, sollte man erstmal recherchie­ren und nachforsch­en, bevor man sich damit abfindet.“

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