Keine Indizien für rechtsradikale Szene
Wie die Spekulationen über Brand-Hintergrund in Ganderkesee bewertet werden
Ganderkesee – „Eine rechtsradikale Szene gibt es in Ganderkesee definitiv nicht!“Mit Entschiedenheit wies Bürgermeisterin Alice Gerken in der vergangenen Woche im Gespräch mit einem RTL-Team Spekulationen zurück, hinter dem Brand des Bahnhofsgebäudes in Ganderkesee könne eine örtliche rechtsextreme Gruppierung stehen.
Entsprechende Vermutungen waren in verschiedenen Nachrichtenformaten formuliert worden: Demnach gebe es Zusammenhänge zwischen dem Feuer in Ganderkesee und zwei anderen Bränden im Bremer Umland – und ein gemeinsames Merkmal sei, dass es an allen drei Orten eine rechtsradikale Szene gebe.
Auf die Möglichkeit, dass der Brand in Ganderkesee, der nach bisherigen Erkenntnissen absichtlich gelegt wurde, mit Brandstiftungen in Syke (Kreis Diepholz) und Gnarrenburg (Kreis Rotenburg) zusammenhängen könnte, hatte gegenüber unserer Redaktion Jan Krieger von der Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus in Oldenburg hingewiesen. In allen Fällen seien Gastronomiebetriebe zerstört worden, die von Menschen mit Migrationshintergrund geführt wurden.
■ Das sagt der Experte
Konkrete Hinweise für die Existenz oder den Aufbau einer rechtsextremen Gruppierung in Ganderkesee liegen dem Oldenburger Rechtsextremismus-Experten
jedoch aktuell nicht vor. Seinen Angaben zufolge gab es allerdings etwa zwischen 2008 und 2012 in der Region „Neonazi-Strukturen“, die dem Umfeld der Jungen Nationaldemokraten, der Jugendorganisation der NPD, zuzuordnen waren. Diese Gruppe habe sich aufgelöst.
„Es ist aber möglich, dass sich gerade wieder etwas organisiert“, sagte Krieger auf Nachfrage. Für wahrscheinlicher hält er indes, dass Rechtsradikale aus benachbarten Städten im Raum Ganderkesee an Einfluss gewonnen haben könnten. „Es gibt eine rechtsextreme Szene im Umkreis“, weiß der Oldenburger, „die aus unterschiedlichen Strukturen besteht.“Unter anderem könnten Akteure aus Bremer Hooligan- und RockerKreisen
sich hier tummeln.
■ Das sagt der Politiker
Dass zu den Hooligans von Werder Bremen auch Unterstützer aus der Gemeinde Ganderkesee gehören, bestätigt SPD-Ratsherr Marcel Dönike, der als Juso-Vorsitzender einen Einblick in die jüngere politische Szene der Gemeinde hat. Nach seinen Erfahrungen gebe es hier durchaus „ein paar Personen“, die rechtsextremem Gedankengut nahestehen. Er könne sich aber nicht vorstellen, so Dönike, dass aus diesem Kreis ein Brandanschlag wie jetzt möglicherweise in Ganderkesee verübt wird.
■ Das sagt die Polizei
Eine klare Position in dieser
Frage bezieht die Polizei. „Wir haben keine rechtsradikale Szene in Ganderkesee“, sagt die Sprecherin der Polizeiinspektion in Delmenhorst, Lorena Lemke. Es gebe in der Gemeinde keine auffälligen Straftaten, die örtlichen Rechtsextremen zuzuordnen wären, und der Polizei sei auch „nicht bekannt, dass sich so etwas anbahnt“.
All diese Aussagen stehen nicht im Widerspruch zu der Annahme, dass das Feuer im Ganderkeseer Bahnhofsgebäude von Rechtsradikalen gelegt worden sein könnte. Allein das wäre für die Gemeinde ein Schock, wie Bürgermeisterin Alice Gerken sagte. Noch schockierender wäre aber, sollte sich herausstellen, dass die Täter auch hier zuhause sind.