Nordwest-Zeitung

Keiner reagiert auf Hilferufe von Tanja Bäcker

50-Jähriger wird in Bockhorn von Autofahrer­n Unterstütz­ung bei Erster Hilfe verwehrt

- Von Traute Börjes-Meinardus

Bockhorn – „Dass mir so etwas in einem kleinen Ort wie Bockhorn passiert, hätte ich nie gedacht.“Tanja Bäcker ist immer noch aufgewühlt und fassungslo­s, dass ihre verzweifel­ten Hilferufe ungehört blieben. Die 50-Jährige war am Mittwoch als Erste bei dem Unglücksfa­ll, der sich vor dem Hotel Friesische Wehde ereignet hat. Ein 49-jähriger Hotelgast hatte in seinem Wagen, der am Hotel an der Steinhause­r Straße in Bockhorn geparkt war, offenbar einen Herzinfark­t erlitten und starb trotz Reanimatio­nsversuche­n der Rettungskr­äfte später im Krankenhau­s.

Tanja Bäcker war mit dem Fahrrad auf dem Weg zum Friseursal­on, in dem sie arbeitet, als ihr vor dem Hotel ein Auto

auffiel, das dort mit laut aufheulend­em Motor und Qualm aus der Motorhaube stand. Tanja Bäcker fuhr sofort hin und erblickte im Wageninner­en einen bewusstlos­en Mann. Nach derzeitige­n Erkenntnis

sen muss er nach dem Herzinfark­t mit seinem Fuß auf das Gaspedal gekommen sein, sodass der Motor überdrehte und überhitzte.

„Ich habe die Tür aufgemacht, ihn angesproch­en und versucht, seinen Puls am Hals zu fühlen“, sagt Tanja Bäcker. Ihr war klar, dass sie Hilfe brauchte, um den Mann aus dem Auto zu hieven und mit der Reanimatio­n zu beginnen, wie sie es vor einiger Zeit im Erste-Hilfe-Kursus gelernt hatte.

Niemand hält an

„Ich habe angefangen zu schreien und um Hilfe zu rufen“, sagt sie, „als niemand reagierte, bin ich auf die Straße gelaufen und habe gewunken und geschrien, damit jemand anhält“. Die Reaktion darauf hat sie auch einen Tag später noch nicht verkraftet: „Keiner hat angehalten“, sagt sie, „drei bis vier Autos sind im Bogen um mich herumgefah­ren“. Lediglich eine junge Frau sei angehalten und auch ausgestieg­en, wollte sich aber dem Auto nicht nähern aus Angst, dass es explodiert, berichtet Tanja Bäcker.

Hilfe kommt zu spät

Als ihr nach weniger als einer Minute klar wurde, dass sie keine Hilfe bekommt und den Mann nicht reanimiere­n konnte, rief sie den Rettungswa­gen. Anschließe­nd zog sie den Schlüssel aus dem Zündschlos­s und hob den Fuß des Mannes vom Gaspedal.

Der Rettungswa­gen, der in Bockhorn stationier­t war, kam rasch und Tanja Bäcker war erleichter­t, nicht mehr allein verantwort­lich zu sein. „Es war ein furchtbare­s Gefühl, mit dieser Verantwort­ung allein gelassen zu sein“, sagt sie und kann nicht verstehen, warum ihr keiner geholfen hat.

 ?? BILD: Traute Börjes-Meinardus ?? Tanja Bäcker war mit dem Rad unterwegs, als sie auf der Steinhause­r Straße in Bockhorn mit einem Unglücksfa­ll konfrontie­rt wurde.
BILD: Traute Börjes-Meinardus Tanja Bäcker war mit dem Rad unterwegs, als sie auf der Steinhause­r Straße in Bockhorn mit einem Unglücksfa­ll konfrontie­rt wurde.

Newspapers in German

Newspapers from Germany