Die richtigen Maßnahmen zum falschen Zeitpunkt
Seitdem die Zahl der Corona-Neuinfektionen wieder auf das Niveau vom März gestiegen ist, haben zunehmend mehr Menschen Angst vor einem Lockdown. Und auch die Bundeskanzlerin appelliert an uns, dass wir, wenn immer möglich, zu Hause bleiben sollen. Zwar können wir mit Blick auf das Geschehen in unseren Nachbarländern insgesamt sehr zufrieden mit dem Krisenmanagement der Bundesregierung sein, dennoch kann man ihr vorwerfen, in den vergangenen Monaten nicht vorausschauend und langfristig genug gedacht und auf frühzeitige und angemessene Maßnahmen verzichtet zu haben.
Schaut man auf die CoronaZahlen, so erkennt man ab Mitte Juli einen Trend: Die Anzahl der Neuinfektionen steigt wieder. Dies hätte eigentlich für Politik und Gesellschaft ein Warnsignal sein sollen, doch Wissenschaftler, die vor einer zweiten Welle gewarnt hatten, wurden ignoriert. Viele Menschen wiegten sich in
Sicherheit, da die Zahl der Neuinfektionen im Vergleich zur Krisenzeit noch recht gering war. Dies ist allerdings ein Trugschluss. Denn viel wichtiger ist es, ob sich diese Zahl im Verlauf der letzten Wochen im Schnitt vergrößert oder verkleinert hat. Es kommt also auf den Trend an. Denn aufgrund des exponentiellen
Wachstums ist es, solange die Neuinfektionszahlen steigen, nur eine Frage der Zeit, bis sie explodieren.
Nun erkennen wir heute, dass die Wissenschaftler, die damals vor einer zweiten Welle gewarnt haben, recht hatten. Es wäre sinnvoll gewesen, einschränkende Maßnahmen früher zu ergreifen, denn dann müssten wir uns heute nicht vor einem zweiten Lockdown fürchten. Sicherlich ist es dem Krisenmanagement der Bundesregierung gegenüber etwas undankbar, im Nachhinein Fehler anzuprangern. Und sicherlich wäre es auch nicht einfach gewesen, zu dieser Zeit wieder striktere Maßnahmen durchzusetzen, nachdem sich die Menschen nach der ersten Welle wieder an mehr Freiheit gewöhnt hatten.
Trotzdem sollten sich die Bundesregierung und Landesregierungen mehr trauen, einschränkende Maßnahmen früh genug durchzusetzen und diese ausreichend zu erklären. Um die Pandemie langfristig in den Griff zu bekommen, sollten wir den wellenartigen Verlauf der Neuinfektionszahlen möglichst glätten. Dafür sind rechtzeitige Maßnahmen von der Politik und Disziplin in der Gesellschaft notwendig.
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