Täglicher Kampf ums Überleben
Familie Bonk ging es am Uhlhornsweg vergleichsweise gut
Und dann rückte noch etwas in den Mittelpunkt: Da wurde heimlich der Rübenschluck gebrannt und das recht hochprozentig. Die Familie traf sich mindestens einmal im Monat. Die Frauen genossen echten Kaffee oder ihren Ostfriesentee und dazu Sahnetorte, während sich die Männer einen hinter die Binde gossen. Bekannt wurde das Lied „Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien“. Der Westen Deutschlands war damals in drei Zonen aufgeteilt.
Bloherfelde – Karl-Heinz Bonk war sieben Jahre alt, als der Zweite Weltkrieg endete. Mit seiner Familie lebte er in einem Haus am Uhlhornsweg. Seine Erinnerungen hat er aufgeschrieben:
„Wir selbst aber wohnten ja zum Kriegsende am Rande der Stadt Oldenburg, damals zwar Residenzstadt, aber noch lange keine Großstadt. Was den Hunger anbetraf, waren mein Bruder und ich recht gut versorgt. Wir lebten in einem kleinbäuerlichen Haus in Bloherfelde. Wir hatten allerhand Vieh wie ein Schwein, Kaninchen und Hühner und einen großen Garten. Mutter hatte für uns Kinder immer etwas auf dem Tisch. Was nicht verbraucht wurde, kam in Weckgläser oder in die Räucherkammer. Sogar Hühnereier wurden in einer besonderen Solflüssigkeit haltbar gemacht.
Dennoch war die Nahrung nicht gerade überschwänglich und recht eintönig. Da gab es tagelang Steckrübensuppe, gefolgt von der Suppe mit den 11 ,Kälberzähnen’, was Graupen waren. Besser waren da schon die im eigenen Garten geernteten Kartoffeln. Im Spätherbst und danach war der Grünkohl ein heiß geliebtes Essen. Und zum Schwarzbrot gab es immer noch eine Scheibe Wurst oder Schinken, doch manchmal statt mit Butter mit Schmalz. Bedingt durch unsere Schafhaltung hatten wir auch genügend Milch. So mussten wir nicht hungern. Doch wir lernten auch genügend Menschen kennen, die vor Hunger fast umfielen.
Wenn unsere Mutter Mehl auftreiben konnte, backte sie gern. An der Bloherfelder
KarlHeinz 1946: Jugendfoto von Gerold (links) und Karl-Heinz Bonk, die am Uhlhornsweg aufwuchsen.
Straße gab es zwei große Handwerksmühlen, wo unter der Hand etwas zu organisieren war. Überhaupt war der
Gang zum Kaufmann oder zum Milchgeschäft damals nicht so einfach. Es gab staatliche Lebensmittel-Zuteilungen,
die ,Karten’. Nur mit dieser Karte bekam man beim Kaufmann etwas. Beim Händler gehörte die Schere immer dazu, wenn der den entsprechenden Abschnitt abtrennte. Doch auch der Händler hatte selten genug Ware.
Vor den Läden bildeten sich häufig lange Schlangen wartender Kunden. Wo etwas zu bekommen war, sprach sich schnell herum. Wir Kinder mussten oft die Wartestellung der Mutter vertreten, aber dennoch kam oft ,ausverkauft’. Und doch gab es manches Mal etwas unter der Hand. So etwas regelte unser Kaufmann Dütmann immer gut. Er war ein Schulkamerad meines Vaters gewesen.
Wenn ich zum Einkaufen geschickt wurde, bekam ich eine Beuteltasche zum Tragen in die Hand. Dazu brauchte ich aber auch ein paar leere Papiertüten, Schalen oder ein Henkeltöpfchen. Sowohl Mehl als auch Zucker, Grieß, Erbsen, Bohnen und vieles mehr wurden aus großen Säcken abgewogen. Zugeteilt gab es manchmal nur kleinste Mengen wie ein Achtel Pfund Butter. Salzheringe und Sauerkraut holte der Kaufmann aus großen Fässern, genauso die Salzgurken. Für uns Kinder hatte er manchmal ein oder zwei Zucker-Sirup-Bonbons, die seine Frau selber hergestellt hatte. Wenn man Glück hatte, gab’s sogar einmal Fliegenfänger oder eine Mausefalle. Hoch erwartet war auch die Kernseife und eine Schachtel Streichhölzer. Alles wurde dankbar angenommen und fest umklammert, kam man mit der Ware heim, fühlte man sich wie beschenkt.
Von Monat zu Monat wurde die Währung knapper. Es wurde Mode, dass man Wildkräuter sammelte. Gerade nun wuchs man schnell aus seiner Kleidung heraus.