Nordwest-Zeitung

Jutesäcke aufgeribbe­lt und Kleidung daraus gestrickt

Bloherfeld­e und Haarentor waren geprägt durch die Landwirtsc­haft

-

Bloherfeld­e – „Der Krieg ist vorbei, nun wird alles besser!“dachte man, als am 8. Mai 1945 offiziell der Zweite Weltkrieg beendet war. Doch unser Opa hatte schon gesagt: „Nun geht’s erst los!“Er hatte ja schon die Notzeit nach dem Ersten Weltkrieg miterlebt, schreibt Karl-Heinz Bonk.

Nun mangelte es an allem: Keine Nähnadeln, kein Nähgarn, nix zu heizen und kaum etwas zu essen. Die Alliierten hatten fast alles, was in Deutschlan­d noch intakt geblieben war, abgebaut oder reduziert und trotz allen guten Wollens und Wissens fehlte es überall an Material und Nahrung. Das traf Oldenburg umso mehr, weil die Stadt schon vorher so gut wie keinerlei Fabriken gehabt hatte.

Aus allen Möglichkei­ten und Resten schuf man Nützliches. So sah ich auf dem Hof meiner Großeltern, wie man aus einem durchlöche­rten Stahlhelm ein Milchsieb geschaffen hatte. Die Hausfrauen ribbelten Jutesäcke und alte Wollkleide­r auf und strickten daraus neue Kleidung. Aus dem Oldenburge­r Umland kamen nun Pferdewage­n, beladen mit Torf. So hatte man zumindest eine kleine Menge Brennmater­ial. Und wir Kinder sammelten in den Büschen und Wäldern Tannenzapf­en und Reisig. Alles, was zu ergattern war, wurde irgendwie genutzt.

Über den Erfinderge­ist und die vielen neuen Ideen muss noch berichtet werden. Zurückgeke­hrt aus der Gefangensc­haft baute mein Vater zunächst Holzschuhe und Sandalen, wobei er viel Werkstoff aus alten Wehrmachts­beständen verarbeite­te. Später bastelte er zu Hause Kinderspie­lzeug aus Holz, das wir

Rückblick: In Bloherfeld­e entstand nach dem Zweiten Weltkrieg an dieser Stelle das Kennedy-Viertel.

Kinder dann bunt anmalen durften. Dieses teilweise bewegliche Spielzeug verkaufte er vorwiegend an die fremden Soldaten.

Erzählen muss man auch noch über einen Nachbarsju­ngen, der zum Ende des

Krieges noch als Hitlerjung­e eingesetzt worden war. Die Alliierten hatten ihn sofort nach Hause geschickt. Hier bei uns in Oldenburg fand er eine Botenstell­e bei der gerade neu aufgebaute­n Zeitung in der Peterstraß­e. Dort im

Betrieb waren anfangs auch noch englische Beobachter beschäftig­t. Einer dieser fremden Männer sammelte aus älterer Korrespond­enz gebrauchte Briefmarke­n.

Nun lief unser junger Freund in unserer Nachbarsch­aft herum und suchte nach alten Marken, diese Marken veräußerte er für ein paar Zigaretten an den fremden Soldaten.

Angeregt von deutschen Marken von Hindenburg mit Trauerrand hatte der Nachbarjun­ge die besondere Idee: Zuhause saß er abends am Küchentisc­h und malte mit schwarzer Tusche die letzten Hitlermark­en mit einem schwarzen Rand an und hatte auch zunächst Erfolg, bis aber eine der so präpariert­en Marken feucht wurde und der schwarze Rand zerfloss. Nun war der gute Zigaretten­markt für ihn vorbei.

Erinnert sich gut an die Zeit nach dem II. Weltkrieg: Maria Klein

 ?? BILD: Karl-Heinz Bonk ??
BILD: Karl-Heinz Bonk

Newspapers in German

Newspapers from Germany