Mittelmaß kann so schön sein
Warum für Bremer eine gute Defensive zurzeit wichtiger ist als schöner Offensiv-Fußball
Kohfeldt raus: Ich weiß nicht, wie häufig ich das in der vergangenen Saison gedacht oder vielleicht auch mal vor Ärger gebrüllt habe – zu nah stand Werder Bremen mit Krisen-Trainer Florian Kohfeldt vor dem Abstieg.
Aber es ging gut. Und in dieser Saison punktet Werder. Acht Punkte nach fünf Spielen. Ein Traum. Doch einige Fans mosern trotzdem: Hässlich würde Werder spielen, sagen sie. Da kann ich nur den Kopf schütteln. Lieber sicher punkten als in Schönheit sterben. Oder wie mein Kollege Lars Blancke in seiner Analyse über den Werder-Weg schreibt: „hinten hui, vorne pfui“.
Bremen – Die Überschrift passte, die der Autor auf dem vereinseigenen Internet-Auftritt von Werder Bremen zu seinem Text über das Spiel gegen die TSG Hoffenheim wählte. „Beschützer des Werder-Kastens“stand über dem Text, den der Fußball-Bundesligist am Montag verbreitete und mit dem er auch eine Botschaft an seine Fans sendete. Defensiv steht Werder gut, die Abwehr verteidigte geschickt das 1:1 gegen den Europapokalteilnehmer und sicherte so das vierte unbesiegte Spiel in Folge. Was aber auch zur Wahrheit gehört: Offensiv tritt Werder weiter harmlos auf.
■ Was gut läuft
Schon nach der Corona-Pause in der Vorsaison legte Florian Kohfeldt mit der Umstellung von einer Vierer- auf eine Fünferkette den Grundstein dafür, dass Werder hinten stabiler steht. Gegen Hoffenheim zeigte sich: Auch Ausfälle wie den von Linksverteidiger Ludwig Augustinsson kann Werder in diesem System kompensieren. Links hinten verteidigte JeanManuel Mbom, der in seinen ersten vier Bundesligaspielen überhaupt seine große Flexibilität schon gezeigt hat. Der 20-Jährige spielte bereits im zentralen Mittelfeld (Schalke), rechts hinten (Bielefeld und Freiburg) und nun links hinten. Auf rechts ist Theodor Gebre Selassie seit Jahren eine Bank (33). Und in der Dreierkette haben sich Milos Veljkovic (24) auf halbrechts und der formstarke Marco Friedl (22) auf halblinks festgespielt. Gegen Hoffenheim spielte Kapitän Niklas Moisander (35) erstmals seit dem 1. Spieltag den zentralen Verteidiger, auch Ömer Toprak (31) ist wieder fit und eine Option. Werder ist inzwischen vom Alter und den BundesligaEinsätzen sehr erfahren und eingespielt in der Defensive. „Wir tun gut daran, dass wir uns bei einer stabilen Punktelage spielerisch entwickeln“, sagte Kohfeldt.
■ Was schlecht läuft
Dass der Trainer auch im Spiel mit dem Ball einen Schritt nach vorne sah, zeigt gleichwohl, dass Werder weiterhin Probleme hat, fußballerische Lösungen in der Offensive zu finden und torgefährlich zu werden – denn gut waren die Bremer nach vorne nun wirklich nicht. Das 1:0 durch Maximilian Eggestein in der 5. Minute war ein herausragender Moment: Ballgewinn im Mittelfeld, Eggestein verlagerte auf rechts, Gebre Selassie spielte den Ball scharf zurück in den Rückraum, wo Eggestein nachgerückt war und aus 14 Metern direkt einschob. So stellt sich Kohfeldt, so stellt sich Werder Fußball vor – es war aber eben nur ein einziger herausragender Angriff. Danach verpufften alle Bremer Offensivbemühungen früh, was auch an der defensiveren Ausrichtung mit der Fünferkette und einem zentralen Abräumer davor (dieses Mal Christian Groß) lag. In diesem System bleiben aus dem Mittelfeld nur noch Eggestein und Leonardo Bittencourt sowie die vorrückenden Außenverteidiger, die die Stürmer Niclas Füllkrug und Joshua Sargent einsetzen können. Gerade im Zentrum fehlt Werder dann oft ein Mann, der für einen kreativen Moment sorgen kann, weil vor allem Eggestein auch viele Defensivaufgaben erledigen muss. Dass die Offensive nach wie vor aus dem Spiel heraus harmlos ist, zeigt auch, dass Werder vier der sieben Saisontore nach Standardsituationen geschossen hat – alle vier durch Füllkrug (zwei Elfmeter, eins nach Eckball, eins nach Freistoß). Dass in Davy Klaassen (Wechsel zu Ajax Amsterdam) nun einer jener Mittelfeldspieler fehlt, der stets konsequent nachgerückt ist und vorne torgefährlich wurde, wird Werders Probleme im offensiven Bereich nur verstärken.
■ Der neue Ansatz
„Wir haben es mit den Basics gut gemacht, spielerisch einen Schritt nach vorne gemacht, ohne dass es ein überragendes Spiel war“, resümierte Kohfeldt, was den neuen Bremer Ansatz ganz gut zusammenfasste. Das Ergebnis steht beim SV Werder nach den vielen Negativerlebnissen der Vorsaison über allem, das Spielerische ist erstmal nicht so wichtig. Werder spielt so pragmatisch und effizient, wie schon lange nicht mehr. Acht Punkte aus fünf Spielen geben Kohfeldt Recht, dass dies zurzeit der richtige Weg ist. Der Weg zu attraktivem Fußball ist aber noch ein weiter.