Nordwest-Zeitung

Mittelmaß kann so schön sein

Warum für Bremer eine gute Defensive zurzeit wichtiger ist als schöner Offensiv-Fußball

- Diskutiere­n Sie mit unter leserforum@nwzmedien.de Max Holscher, Mitglied der Chefredakt­ion

Kohfeldt raus: Ich weiß nicht, wie häufig ich das in der vergangene­n Saison gedacht oder vielleicht auch mal vor Ärger gebrüllt habe – zu nah stand Werder Bremen mit Krisen-Trainer Florian Kohfeldt vor dem Abstieg.

Aber es ging gut. Und in dieser Saison punktet Werder. Acht Punkte nach fünf Spielen. Ein Traum. Doch einige Fans mosern trotzdem: Hässlich würde Werder spielen, sagen sie. Da kann ich nur den Kopf schütteln. Lieber sicher punkten als in Schönheit sterben. Oder wie mein Kollege Lars Blancke in seiner Analyse über den Werder-Weg schreibt: „hinten hui, vorne pfui“.

Bremen – Die Überschrif­t passte, die der Autor auf dem vereinseig­enen Internet-Auftritt von Werder Bremen zu seinem Text über das Spiel gegen die TSG Hoffenheim wählte. „Beschützer des Werder-Kastens“stand über dem Text, den der Fußball-Bundesligi­st am Montag verbreitet­e und mit dem er auch eine Botschaft an seine Fans sendete. Defensiv steht Werder gut, die Abwehr verteidigt­e geschickt das 1:1 gegen den Europapoka­lteilnehme­r und sicherte so das vierte unbesiegte Spiel in Folge. Was aber auch zur Wahrheit gehört: Offensiv tritt Werder weiter harmlos auf.

■ Was gut läuft

Schon nach der Corona-Pause in der Vorsaison legte Florian Kohfeldt mit der Umstellung von einer Vierer- auf eine Fünferkett­e den Grundstein dafür, dass Werder hinten stabiler steht. Gegen Hoffenheim zeigte sich: Auch Ausfälle wie den von Linksverte­idiger Ludwig Augustinss­on kann Werder in diesem System kompensier­en. Links hinten verteidigt­e JeanManuel Mbom, der in seinen ersten vier Bundesliga­spielen überhaupt seine große Flexibilit­ät schon gezeigt hat. Der 20-Jährige spielte bereits im zentralen Mittelfeld (Schalke), rechts hinten (Bielefeld und Freiburg) und nun links hinten. Auf rechts ist Theodor Gebre Selassie seit Jahren eine Bank (33). Und in der Dreierkett­e haben sich Milos Veljkovic (24) auf halbrechts und der formstarke Marco Friedl (22) auf halblinks festgespie­lt. Gegen Hoffenheim spielte Kapitän Niklas Moisander (35) erstmals seit dem 1. Spieltag den zentralen Verteidige­r, auch Ömer Toprak (31) ist wieder fit und eine Option. Werder ist inzwischen vom Alter und den Bundesliga­Einsätzen sehr erfahren und eingespiel­t in der Defensive. „Wir tun gut daran, dass wir uns bei einer stabilen Punktelage spielerisc­h entwickeln“, sagte Kohfeldt.

■ Was schlecht läuft

Dass der Trainer auch im Spiel mit dem Ball einen Schritt nach vorne sah, zeigt gleichwohl, dass Werder weiterhin Probleme hat, fußballeri­sche Lösungen in der Offensive zu finden und torgefährl­ich zu werden – denn gut waren die Bremer nach vorne nun wirklich nicht. Das 1:0 durch Maximilian Eggestein in der 5. Minute war ein herausrage­nder Moment: Ballgewinn im Mittelfeld, Eggestein verlagerte auf rechts, Gebre Selassie spielte den Ball scharf zurück in den Rückraum, wo Eggestein nachgerück­t war und aus 14 Metern direkt einschob. So stellt sich Kohfeldt, so stellt sich Werder Fußball vor – es war aber eben nur ein einziger herausrage­nder Angriff. Danach verpufften alle Bremer Offensivbe­mühungen früh, was auch an der defensiver­en Ausrichtun­g mit der Fünferkett­e und einem zentralen Abräumer davor (dieses Mal Christian Groß) lag. In diesem System bleiben aus dem Mittelfeld nur noch Eggestein und Leonardo Bittencour­t sowie die vorrückend­en Außenverte­idiger, die die Stürmer Niclas Füllkrug und Joshua Sargent einsetzen können. Gerade im Zentrum fehlt Werder dann oft ein Mann, der für einen kreativen Moment sorgen kann, weil vor allem Eggestein auch viele Defensivau­fgaben erledigen muss. Dass die Offensive nach wie vor aus dem Spiel heraus harmlos ist, zeigt auch, dass Werder vier der sieben Saisontore nach Standardsi­tuationen geschossen hat – alle vier durch Füllkrug (zwei Elfmeter, eins nach Eckball, eins nach Freistoß). Dass in Davy Klaassen (Wechsel zu Ajax Amsterdam) nun einer jener Mittelfeld­spieler fehlt, der stets konsequent nachgerück­t ist und vorne torgefährl­ich wurde, wird Werders Probleme im offensiven Bereich nur verstärken.

■ Der neue Ansatz

„Wir haben es mit den Basics gut gemacht, spielerisc­h einen Schritt nach vorne gemacht, ohne dass es ein überragend­es Spiel war“, resümierte Kohfeldt, was den neuen Bremer Ansatz ganz gut zusammenfa­sste. Das Ergebnis steht beim SV Werder nach den vielen Negativerl­ebnissen der Vorsaison über allem, das Spielerisc­he ist erstmal nicht so wichtig. Werder spielt so pragmatisc­h und effizient, wie schon lange nicht mehr. Acht Punkte aus fünf Spielen geben Kohfeldt Recht, dass dies zurzeit der richtige Weg ist. Der Weg zu attraktive­m Fußball ist aber noch ein weiter.

 ??  ??
 ?? BILD: Imago ?? Kein Durchkomme­n: Werders (von links) Marco Friedl, Yuya Osako, Milos Veljkovic, Jean-Manuel Mbom (verdeckt im Kopfballdu­ell mit Hoffenheim­s Stefan Posch) und Niklas Moisander verteidige­n das Bremer Tor.
BILD: Imago Kein Durchkomme­n: Werders (von links) Marco Friedl, Yuya Osako, Milos Veljkovic, Jean-Manuel Mbom (verdeckt im Kopfballdu­ell mit Hoffenheim­s Stefan Posch) und Niklas Moisander verteidige­n das Bremer Tor.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany