Nordwest-Zeitung

Zweite Generation trägt das Trauma mit

Regisseur Farschid Ali Zahedi über das Leben im Versteck und die Suche nach Zeitzeugen

- Von Hans Begerow

Der Oldenburge­r Regisseur Farschid Ali Zahedi hat einen Dokumentar­film über eine Holocaust-Überlebend­e gedreht. „Rosa, die unsichtbar­e Frau“ist eine grenzüberg­reifende Geschichte mit Bezügen zu Groningen, Oldenburg und Ostfriesla­nd.

Herr Zahedi, Sie haben fünf Jahre an dem Dokumentar­film „Rosa, eine unsichtbar­e Frau“gearbeitet. Auch wenn man ihn gesehen hat, viel erfährt man nicht über die Hauptperso­n Rosa Lazarus. Wie sehen Sie das? Zahedi: Der Film hat viele Ebenen. Und jeder Zuschauer nimmt etwas mit. Da ist der Jude Ben van Dam, der wie Rosa der Deportatio­n entging und im Versteck in Groningen überlebte. Da ist der Theologe Binne Roorda, der Juden versteckte, entdeckt wurde und im Lager umkam. Oder denken Sie an Roordas Haushälter­in Maike, die die Lebensmitt­el für die Illegalen beschaffte. Das ist eine vielschich­tige Geschichte.

Authentisc­h ist das Interview mit dem Überlebend­en Ben van Dam über das Leben im Versteck. Warum steht es quasi am Ende des Films? Zahedi: Wir wollten erst die Situation in Ostfriesla­nd und Oldenburg erzählen, wo Rosa Lazarus vor ihrer Flucht nach Groningen gelebt hatte. Der zentrale Punkt ist das Leben im Versteck. Zwei Jahre haben dort acht Menschen auf engstem Raum versteckt gelebt. Das ist unglaublic­h. Ich war erschütter­t beim Drehen und Schneiden. Heute ist bei uns schon Geschrei, wenn wir wegen der Corona-Pandemie drei Tage zu Hause bleiben müssen.

Der Film spricht das Verhältnis der zweiten Generation an, der Kinder der Holocaust-Überlebend­en. Überträgt sich das Trauma auf die Kinder? Zahedi: Unbedingt. Man sieht es im Film, wie der Sohn des Holocaust-Überlebend­en den Stolperste­in in Groningen enthüllt und um Fassung ringt. Die zweite Generation trägt die Erlebnisse der Eltern mit und eine solche Dokumentat­ion hilft mit, solche Erlebnisse zu verarbeite­n. Übrigens hat die Familie van Dam den Film in Israel gesehen und ist sehr dankbar.

Wie kann man eine Erinnerung­skultur aufrechter­halten, wenn die Zeitzeugen sterben? Zahedi: Allein der Titel sagt es. Rosa war eine unsichtbar­e Frau. Dafür musste ich nach Israel fahren. Der Film zeigt auch, wie wichtig es ist, mit Zeitzeugen zu sprechen. Es hat sich gelohnt, ein jüdisches Leben in Oldenburg und Ostfriesla­nd zu dokumentie­ren.

Sie selbst sind auch aus Ihrem Heimatland geflüchtet … Zahedi: Ich habe selbst in den 1980er Jahren Verhaftung­en im Iran erlebt. Ich kann das nachvollzi­ehen, mit der Angst zu leben, unbemerkt Lebensmitt­el zu beschaffen. Da gibt es zwischen den Menschen im Versteck und mir Parallelen: Die Sehnsucht nach Freiheit, egal welche Herkunft und Religion man hat. Die acht Juden haben sich lange versteckt, und das zeigt doch, wie wertvoll das Leben ist. Man kann es auf die Gegenwart übertragen: Denken Sie an die syrischen Flüchtling­e.

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BILD: Hans Begerow Farschid Ali Zahedi arbeitete fünf Jahre an dem Film „Rosa, eine unsichtbar­e Frau", der jetzt in Groningen und Oldenburg Premiere hatte.

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