Nordwest-Zeitung

Das Verschütte­te aus der Tiefe heben

„Archäologi­e des Unsichtbar­en“von Yehudit Sasportas derzeit in Wilhelmsha­ven zu sehen

- Von Birgit Denizel

Wilhelmsha­ven – Die israelisch­e Künstlerin Yehudit Sasportas hat die Kunsthalle Wilhelmsha­ven in eine Gesamtinst­allation verwandelt. Die vertraute Architektu­r mit dem weißen Stoffhimme­l hat sie mit quer gezogenen Wänden und viel schwarzer Farbe durchbroch­en. Die Reduktion auf Schwarz-Weiß charakteri­siert auch ihre Arbeiten.

Malerei, Film, Fotos, Skulpturen und Zeichnunge­n führen die Besucher in sumpfige Moorlandsc­haften und düstere Bunker. „Die Künstlerin geht davon aus, dass wir alle etwas in uns tragen, das unhörbar im Unterbewus­stsein verschloss­en wurde und das es freizulege­n gilt“, erläutert Petra Stegmann, Leiterin der Kunsthalle Wilhelmsha­ven.

Unterirdis­che Zeitzeugen

Als Gleichnis unseres Unterbewus­sten hat Sasportas nicht zufällig den Bunker gewählt. Die Marinestad­t besitzt gleich mehrere dieser architekto­nischen Zeitzeugen, deren Erinnerung­en in den masIntenti­on siven Mauern nahezu hermetisch eingeschlo­ssen sind. Die Vorstellun­g des menschlich­en Bewusstsei­ns als mentales Bauwerk ist zugleich eng verknüpft mit ihrem Projekt „Liquid Desert. The Archeology of the Unseen“. Dabei handelt es sich um eine virtuelle Stätte in der Wüste Negev, die aus 49 Räumen besteht. Einzelne Ansichten dieser erdachten Seelenarch­itektur sind in der Ausstellun­g zu sehen.

Ein natürliche­s Pendant innerer Landschaft­en stellen die Moore da, die Sasportas in Gemälde, Fotos und Videos überführt. Viele Motive stammen aus dem Restmoor Dreesberg, einem Naturschut­zgebiet im Landkreis Cloppenbur­g. Schon vor vielen Jahren hat sie den Ort als Sinnbild ihrer künstleris­chen für sich entdeckt. Das Moor konservier­t und umschließt alle Dinge, die im Sumpf untergehen.

Verschlung­en und undurchdri­nglich erscheinen auch Bäume und Blattwerk, in die sich mitunter abstrakte Formen hineinmisc­hen. Gemalt auf großformat­ige MDFPlatten, führen präzise eingefräst­e Linien sinnbildli­ch in die Tiefe. Bunt sind allein die Irrlichter, die in der Filminstal­lation „The Light Workers“wie Zeichen metaphysis­cher Energien über dem Moorwasser auftauchen.

Sphärische Klänge

Kenner von Paul Celan, Jaques Derrida oder Kasimir Malewitsch werden noch weit mehr in der Ausstellun­g entdecken, die jedoch ebenso funktionie­rt, wenn man die Geschichte­n hinter den Bildern nicht kennt. Die Schau zieht den Betrachter vor allem durch die sphärische­n Klänge in den Bann, die den Werken unterlegt sind. In einer Verdichtun­g aus Naturaufna­hmen, klassische­r Musik und eigenen Tonexperim­enten,

sollen sie abermals an unseren Bewusstsei­nsstruktur­en rütteln. Aktuell schreibt die Künstlerin einzelne Tonfrequen­zen in eine Serie von Keramiksku­lpturen ein. Eine dieser „Mines Sentences“wird im Banter See versenkt.

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BILD: UWE WALTER /BERLIN The Owls no. 1, Chapter no. 5. Liquid Desert Project. 2019, 59 x 83 cm, Archivpigm­entdruck

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