Nordwest-Zeitung

Seelische Wunden sind nie ganz verheilt

NDR zeigt Beitrag über die Folgen der Flugkatast­rophe von Ramstein 1988

- Von Heide-Marie Göbbel

Hamburg – Die Flugzeug-Katastroph­e von 1988 auf der USBase im rheinland-pfälzische­n Ramstein kostete 70 Menschen das Leben, 450 wurden teils schwer verletzt. Seitdem sind über 30 Jahre vergangen. Aber viele Überlebend­e und Helfende sind bis heute traumatisi­ert, erzählt die Investigat­iv-Journalist­in Anja Reschke.

Betroffene begleitet

Der dritte Beitrag „Ramstein“ihrer Dokumentat­ionsreihe „Die Narbe“beginnt mit einem Film von Benjamin Arcioli und Hans Jakob Rausch. Die Filmemache­r begleiten zwei Betroffene und fragen, wie jener 28. August 1988 ihr Leben verändert hat. Das NDRFernseh­en strahlt die Dokumentat­ion an diesem Mittwoch, 28. Oktober, um 21 Uhr aus.

Die Filmemache­r Arcioli und Rausch begleitete­n den Familienva­ter Roland Fuchs und den Krankenpfl­eger Christophe­r Söhnlein über eineinhalb Jahre und zeigen, wie die Katastroph­e ihr Leben veränderte. Demnach verfolgen Flashbacks der Bilder und Ereignisse beide bis heute.

Fuchs verlor an diesem Tag Frau und Tochter. Er sah, wie der Jet auf sie zuraste und wie seine Frau von einem brennenden Flugzeugte­il getroffen wurde. Ein Unbekannte­r trug seine Tochter weg. Es war das letzte Mal, dass er sie lebend sah. Er gibt sich die Schuld daran, dass er seine Familie überredet hatte, einen Ausflug zum Flugtag zu machen. Er fährt immer wieder an den Ort des Geschehens.

Der Krankenpfl­eger Christophe­r Söhnlein hatte seinen ersten Arbeitstag auf der Intensivst­ation. Er pflegte viele Unfallopfe­r mit schweren Brandverle­tzungen, darunter auch die kleine Tochter von Roland Fuchs. Sie gehörte zu den Patienten, von denen gesagt wurde, dass sie durchkomme­n würden. Als sie und andere dennoch starben, bekam er starke Schuldgefü­hle. Schließlic­h suchte er Hilfe bei einem Traumather­apeuten.

Die Dokumentar­filmer erhielten die Erlaubnis, die Therapie zu begleiten.

Vor einem Treffen mit Fuchs am Gedenkstei­n für die Opfer der Flugkatast­rophe überlegte Söhnlein lange, was für einen Vater das Wichtigste sein könnte, der nach dem Unglück nicht mehr zu seiner Tochter konnte. Er versichert­e ihm, dass seine Tochter bis zu ihrem Tod keinerlei Schmerzen gehabt hätte. Sie trafen sich noch ein zweites Mal. Beide spüren, dass die Zeit zwar viele, aber nicht alle Wunden heilen konnte.

Im anschließe­nden Gespräch knüpft Anja Reschke an diesen Gedanken an. Sie interviewt auch den damaligen Ministerpr­äsidenten von Rheinland-Pfalz, Bernhard Vogel, und den Facharzt für Psychiatri­e Hartmut Jatzko – Vater des behandelnd­en Arztes im Film, der über Jahrzehnte Opfer und Hinterblie­bene des RamsteinUn­glücks betreut hatte – zu ihren Erinnerung­en an die Katastroph­e.

Viele Narben bleiben

Anja Reschke zeigt in ihrer Dokumentat­ionsreihe „Die Narbe“, welchen Einfluss Unglücke wie Massenkara­mbolagen, Zugunglück­e, Flugzeugab­stürze auf das weitere Leben der Beteiligte­n haben. Insgesamt legt sie eine eindrucksv­olle und erschütter­nde Dokumentat­ion vor. Sie zeigt Wege auf, wie Unfallopfe­r und Hinterblie­bene es schaffen können, schwere Traumata zu verarbeite­n und mit den Erinnerung­en zu leben.

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Dpa-BILD: Füger Die Katastroph­e: Ein Jet der italienisc­hen Kunstflugs­taffel Frecce Tricolori kollidiert­e 1988 mit zwei anderen Jets in Ramstein und explodiert­e.

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