Nordwest-Zeitung

Wenn jede Minute zählt

Spezialisi­erte Stroke Units ermögliche­n eine optimale Versorgung

- Von Klaus Hilkmann

Oldenburg – Schlaganfä­lle zählen neben Herzinfark­ten und Krebserkra­nkungen zu den häufigsten Todesursac­hen in Deutschlan­d. Fachgesell­schaften gehen von 270000 Akut-Fällen im Jahr aus. Bei einer umgehenden medizinisc­hen Behandlung in einer spezialisi­erten Stroke Unit ist für viele Patienten eine weitgehend­e oder sogar vollständi­ge Genesung möglich. Wenn zu viel Zeit zwischen den ersten Symptomen bis zu einer fachgerech­ten Versorgung vergeht, müssen die Betroffene­n mit schweren körperlich­en und geistigen Schäden rechnen – bis hin zur dauerhafte­n Pflegebedü­rftigkeit oder einem tödlichen Verlauf.

Die Corona-Pandemie wirkt sich doppelt negativ auf eine Schlaganfa­ll-Erkrankung aus. Einerseits wird der Hirninfark­t durch Covid 19-Viren begünstigt. So zeigen internatio­nale Studien, dass in Zeiten von Corona vermehrt jüngere Menschen betroffen sind. Niedergela­ssene Neurologen berichten zudem von vielen Patienten, die aus Furcht vor Corona auf die ärztliche Abklärung typischer Schlaganfa­ll-Symptome verzichtet haben.

Als Folge sind zahlreiche Vorfälle zunächst unerkannt und unbehandel­t geblieben. Darüber hinaus müssen Betroffene befürchten, dass auf einen vermeintli­ch überstande­nen Vorfall schon in naher Zukunft ein deutlich schwererer Schlaganfa­ll folgt. Der Weltschlag­anfalltag am 29. Oktober zielt darauf ab, die Bevölkerun­g mit möglichst breitgefäc­herten Informatio­nen vor dem Auftreten und den Folgen zu schützen.

Hirnzellen gehen verloren

Ursache eines Schlaganfa­lls ist eine Durchblutu­ngsstörung im Gehirn, die in mehr als 80 Prozent der Fälle durch ein verstopfte­s Blutgefäß und seltener durch eine Blutung ausgelöst wird. Bei einer Gefäßverst­opfung sorgen ein Blutgerinn­sel oder eine Gefäßverka­lkung dafür, dass die hinter der Engstelle liegenden

Hirnareale nicht mehr ausreichen­d mit Nährstoffe­n und Sauerstoff versorgt werden, erklärt die Neurologin Katja König. Oberärztin in der Universitä­tsklinik für Neurologie und Leiterin der Stroke Unit im Evangelisc­hen Krankenhau­s Oldenburg: „Als Folge kommt es in den betroffene­n Bereichen innerhalb kurzer Zeit zum unwiederbr­inglichen Verlust von Hirnzellen.“

Wie groß der damit verbundene Funktionsv­erlust ist und wo dieser auftritt, hängt abgesehen von der Art und Schwere des Schlaganfa­lls davon ab, wie schell eine ausreichen­de Durchblutu­ng der Hirnareale

wiederherg­estellt wird. Wichtig ist dafür vor allem eine umgehende Thrombolys­e-Behandlung, bei der dem Patienten blutverdün­nende Medikament­e über die Vene zugeführt werden. Die Lyse-Wirkstoffe sorgen dafür, dass das für den Gefäßversc­hluss verantwort­liche Blutgerinn­sel aufgelöst wird.

Gerinnsel wird abgesaugt

Wenn dies nicht zum Erfolg führt, kann eine Thrombekto­mie nötig sein. Bei diesem minimal-invasiven Verfahren wird über die Leiste ein Katheter zur Verschluss­stelle geführt,

wo das Gerinnsel mit speziellen Werkzeugen durchstoße­n und abgesaugt wird.

In einer personell und technisch optimal ausgerüste­ten Stroke Unit dauert es ab der Einlieferu­ng des Patienten oft weniger als eine Stunde bis die Diagnostik sowie die neurologis­che Akut-Behandlung zur Beseitigun­g der Gefäßverst­opfung abgeschlos­sen ist, berichtet Katja König: „Beim Schlaganfa­ll kommt es auf jede Minute an. Wenn sofort das Richtige getan wird, gehen nur wenig Hirnzellen verloren.“Im Idealfall könne es gelingen, dass man einen Schlaganfa­ll ohne Folgeschäd­en übersteht.

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