Wenn jede Minute zählt
Spezialisierte Stroke Units ermöglichen eine optimale Versorgung
Oldenburg – Schlaganfälle zählen neben Herzinfarkten und Krebserkrankungen zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland. Fachgesellschaften gehen von 270000 Akut-Fällen im Jahr aus. Bei einer umgehenden medizinischen Behandlung in einer spezialisierten Stroke Unit ist für viele Patienten eine weitgehende oder sogar vollständige Genesung möglich. Wenn zu viel Zeit zwischen den ersten Symptomen bis zu einer fachgerechten Versorgung vergeht, müssen die Betroffenen mit schweren körperlichen und geistigen Schäden rechnen – bis hin zur dauerhaften Pflegebedürftigkeit oder einem tödlichen Verlauf.
Die Corona-Pandemie wirkt sich doppelt negativ auf eine Schlaganfall-Erkrankung aus. Einerseits wird der Hirninfarkt durch Covid 19-Viren begünstigt. So zeigen internationale Studien, dass in Zeiten von Corona vermehrt jüngere Menschen betroffen sind. Niedergelassene Neurologen berichten zudem von vielen Patienten, die aus Furcht vor Corona auf die ärztliche Abklärung typischer Schlaganfall-Symptome verzichtet haben.
Als Folge sind zahlreiche Vorfälle zunächst unerkannt und unbehandelt geblieben. Darüber hinaus müssen Betroffene befürchten, dass auf einen vermeintlich überstandenen Vorfall schon in naher Zukunft ein deutlich schwererer Schlaganfall folgt. Der Weltschlaganfalltag am 29. Oktober zielt darauf ab, die Bevölkerung mit möglichst breitgefächerten Informationen vor dem Auftreten und den Folgen zu schützen.
Hirnzellen gehen verloren
Ursache eines Schlaganfalls ist eine Durchblutungsstörung im Gehirn, die in mehr als 80 Prozent der Fälle durch ein verstopftes Blutgefäß und seltener durch eine Blutung ausgelöst wird. Bei einer Gefäßverstopfung sorgen ein Blutgerinnsel oder eine Gefäßverkalkung dafür, dass die hinter der Engstelle liegenden
Hirnareale nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt werden, erklärt die Neurologin Katja König. Oberärztin in der Universitätsklinik für Neurologie und Leiterin der Stroke Unit im Evangelischen Krankenhaus Oldenburg: „Als Folge kommt es in den betroffenen Bereichen innerhalb kurzer Zeit zum unwiederbringlichen Verlust von Hirnzellen.“
Wie groß der damit verbundene Funktionsverlust ist und wo dieser auftritt, hängt abgesehen von der Art und Schwere des Schlaganfalls davon ab, wie schell eine ausreichende Durchblutung der Hirnareale
wiederhergestellt wird. Wichtig ist dafür vor allem eine umgehende Thrombolyse-Behandlung, bei der dem Patienten blutverdünnende Medikamente über die Vene zugeführt werden. Die Lyse-Wirkstoffe sorgen dafür, dass das für den Gefäßverschluss verantwortliche Blutgerinnsel aufgelöst wird.
Gerinnsel wird abgesaugt
Wenn dies nicht zum Erfolg führt, kann eine Thrombektomie nötig sein. Bei diesem minimal-invasiven Verfahren wird über die Leiste ein Katheter zur Verschlussstelle geführt,
wo das Gerinnsel mit speziellen Werkzeugen durchstoßen und abgesaugt wird.
In einer personell und technisch optimal ausgerüsteten Stroke Unit dauert es ab der Einlieferung des Patienten oft weniger als eine Stunde bis die Diagnostik sowie die neurologische Akut-Behandlung zur Beseitigung der Gefäßverstopfung abgeschlossen ist, berichtet Katja König: „Beim Schlaganfall kommt es auf jede Minute an. Wenn sofort das Richtige getan wird, gehen nur wenig Hirnzellen verloren.“Im Idealfall könne es gelingen, dass man einen Schlaganfall ohne Folgeschäden übersteht.