WHO warnt vor Überlastung von Intensivstationen
Kapazitätsgrenzen von Kliniken in einigen Ländern Europas schon erreicht
Genf – Angesichts rapide steigender Corona-Infektionen hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor einer Überlastung von Intensivstationen vor allem in Europa und Nordamerika gewarnt. „Viele Länder auf der Nordhalbkugel sehen derzeit einen besorgniserregenden Anstieg von Fällen und Einweisungen ins Krankenhaus“, sagte WHOChef Tedros Adhanom Ghebreyesus in Genf. An einigen Orten füllten sich die Intensivstationen schnell.
Teils sind die Kapazitätsgrenzen sogar schon erreicht – etwa in Belgien. So sind in der Provinz Lüttich Dutzende Ärzte und Pfleger in den völlig überlasteten Kliniken trotz
Corona-Infektion im Dienst. Einzelne Patienten wurden auch über die deutsche Grenze nach Aachen verlegt.
Auch die Krankenhäuser in den Niederlanden können dem Druck durch die steigende Patientenzahl kaum standhalten. Viele Operationen wurden abgesagt. Die ersten zwei Covid-19-Patienten wurden nach Münster ausgeflogen. Weitere sollen folgen.
In Großbritannien ist die Lage ebenfalls sehr angespannt. Die Kapazität erster Kliniken etwa im Großraum Manchester ist erschöpft. Tausende Operationen wurden abgesagt, die Regierung ließ provisorische Kliniken errichten. Schon während der ersten Coronawelle starben viele Ärzte und Krankenpfleger.
Tschechien hat drastische Maßnahmen wie eine nächtliche Ausgangssperre beschlossen, um eine innerhalb von zwei Wochen erwartete Überlastung der Krankenhäuser doch noch zu verhindern. Das Gesundheitsministerium ordnete an, in allen Kliniken planbare Operationen zu verschieben. Große Sorgen bereitet der Personalmangel. Mehr als 13 000 Mitarbeiter im Gesundheitswesen haben sich nach Angaben der Ärztekammer selbst mit Corona infiziert.
In Russland ist besonders die Hauptstadt Moskau betroffen, wo auch provisorische Hospitäler gebaut wurden. Nach offiziellen Zahlen vom Dienstag wurden dort innerhalb eines Tages mehr als 1200 Covid-19-Kranke in Kliniken gebracht. Aus den Regionen gibt es Medienberichte, wonach viele Krankenhäuser bereits überlastet sind, Patienten auf den Fluren behandelt werden und Ärzte fehlen.
Düster sind die Aussichten für die kleinen Länder Litauen und Lettland. Auch in Ungarn und den Balkanstaaten sorgen sich Experten, weil das Gesundheitswesen unterfinanziert ist und es an Ärzten und Pflegepersonal mangelt.
In Frankreich ist die Lage insbesondere in Paris und im Südosten angespannt. Am Montag waren rund 2770 Schwerkranke auf Intensivstationen – das ist etwa knapp die Hälfte der Gesamtkapazität. Auch viele Regionen in Spanien geraten unter Druck. In Madrid und Aragón sind schon über 40 Prozent der Intensivbetten mit Covid-19-Patienten belegt. In Italien warnten die Behörden bereits vor einer „hohen Wahrscheinlichkeit“, dass in mehreren Regionen bald die Kapazitäten nicht mehr ausreichen könnten.
Die Schweizer Regierung schätzt, dass die Intensivbetten Mitte November voll belegt sein werden, falls die Ansteckungen weiter zunehmen.
In Österreich gibt es noch Platz auf den Intensivstationen: Von den rund 2500 Intensivbetten stehen rund 840 für Corona-Patienten bereit, von denen am Dienstag 203 belegt waren.
Entspannt ist die Lage in den fünf nordischen Ländern Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland und Island.