Nordwest-Zeitung

Erben wollen Kandinsky-Gemälde zurück

Prozess Aus der Sammlung Lewenstein wurden 1940 zwei Werke verkauft – oder war es Raubkunst?

- Von Annette Birschel

Amsterdam – Gut 80 Jahre nach dem Kauf eines Kandinsky-Gemäldes muss nun ein Gericht in Amsterdam entscheide­n, wem das „Bild mit Häusern“gehört: Ist die Stadt Amsterdam Eigentümer­in und hängt das Bild rechtmäßig im Stedelijk Museum für moderne Kunst? Oder aber handelt es sich um NS-Raubkunst und muss daher den Erben zurückgege­ben werden?

Ab diesem Donnerstag verhandelt das Gericht die Klage der Erben. Sie waren vor Gericht gezogen, nachdem eine staatliche Kommission 2018 entschiede­n hatte, dass sie keinerlei Anspruch auf Rückgabe hätten. Die Erben der ursprüngli­chen jüdischen Eigentümer Lewenstein wollen die Rückgabe des Gemäldes. Sie seien die rechtmäßig­en Eigentümer von „Bild mit Häusern“(1909) des russischen Malers Wassily Kandinsky (1866-1944).

Weit unter Wert verkauft

Unbestritt­en ist: Das Bild aus der Sammlung Lewenstein war unter dem Eindruck des NS-Regimes im Oktober 1940 versteiger­t worden – fünf Monate nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die neutralen Niederland­e. Das Museum kaufte den Kandinsky damals für 160 Gulden. „Das war auch für damalige Verhältnis­se ein Witz“, sagt der Anwalt der Erben, Axel Hagedorn. „Der Wert des Gemäldes wurde damals bereits auf 2000 bis 3000 Gulden beziffert.“

Die niederländ­ische Restitutio­nskommissi­on hatte Ansprüche der Erben jedoch zurückgewi­esen und auch angeführt, dass die Lewenstein­s – Eigner einer Nähmaschin­enfabrik – schließlic­h das Bild freiwillig zum Verkauf angeboten hätten. Grund waren demnach auch „verschlech­terte finanziell­e Umstände“, in

der sich Familie und Firma bereits vor der deutschen Besatzung befunden haben sollen. Dem widerspric­ht der Anwalt. Hagedorn will mit Gutachten das Gegenteil belegen.

Zugleich weist er darauf hin, dass die Kommission einem Grundsatz der offizielle­n Rückgabepo­litik Den Haags widersprec­he. Danach kann nämlich von einem freiwillig­en Verkauf von Juden nach Mai 1940 nicht mehr die Rede sein. „Dass eine jüdische Familie während der Besatzung freiwillig Bilder verkauft, ist Unsinn“, sagt Hagedorn.

„Das ist eindeutig Raubkunst.“

Ein weiteres Argument der staatliche­n Kommission fanden auch Historiker und Vertreter der jüdischen Gemeinscha­ft haarsträub­end. Die Kommission hatte angeführt, dass die drei Lewenstein-Erben

ja keinerlei emotionale Bindung zu dem Bild hätten. „Das Interesse des Stedelijk Museums wiegt schwerer als das Interesse der Erben, denn die hatten keinen Bezug zu dem Bild.“Die Richter müssen nun die Frage klären, ob das Interesse von einem Museum überhaupt in einem solchen Fall eine Rolle spielen darf.

Als Leihgabe in München

Der Amsterdame­r Prozess hat eine direkte Verbindung zu einem Fall in Deutschlan­d. Denn damals im Oktober 1940 war aus der Sammlung Lewenstein noch ein zweiter Kandinsky versteiger­t worden: „Das bunte Leben“(1907).

Die Erben wollen auch die Rückgabe dieses Gemäldes erreichen, das zurzeit als Leihgabe der Bayerische­n Landesbank im Lenbachhau­s in München hängt. Diesen Fall muss nicht das Amsterdame­r Gericht, sondern die deutsche Limbach-Kommission entscheide­n.

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Dpa-BILD: Kneffel Das Gemälde „Das bunte Leben“(1907) von Wassily Kandinsky hängt als Leihgabe im Lenbachhau­s München.

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