Nordwest-Zeitung

Uwe Tiedemann begeistert für Jazz

Alte Platten-Aufnahmen – Thema Jiddisch-jüdischer Einfluss – 17. Clubabend des 83-Jährigen

- Von Michael Olsen

Oldenburg – „Clubabend“, das klingt in vielen Ohren als ein verstaubte­r Abend in schlecht gelüfteten Gaststätte­n-Hinterzimm­ern, Gespräche über Satzungen oder Kartenspie­le mit Bierbeglei­tung. Dass „Clubabend“aber auch etwas ganz anderes sein kann, bewies Uwe W. Tiedemann (83) am vergangene­n Donnerstag im Jazzclub Alluvium in den Räumen des Wilhelm 13 in der Leo-Trepp-Straße 13.

Für ein „volles“Haus sorgte nicht nur seine Bekannthei­t als ausgewiese­ner Kenner der Jazzgeschi­chte sondern auch das Thema: „Der jiddisch-jüdische Einfluss auf den frühen Jazz“. Viele glauben, Jazz der 40er Jahre gehöre zum „Frühen Jazz“, nein, weit gefehlt! Schellack! Das ließ die Ohren spitzen, unterstütz­t durch Knistern und Knacken in den Lautsprech­ern.

Die erste Platte vom März 1919 (damals für 75 Cent) enthielt je eine „schwarze“und eine „weiße“Aufnahme: Wilbur Sweatman und die „weißen“Louisiana Five intonierte­n die aktuelle Jazzmusik. Dann der „Missouri Blues“der Jazzazza Jazz Band, einer vorwiegend aus jüdischen Musikern bestehende­n Gruppe, ebenfalls 101 Jahre alt, gefolgt von „Palesteena“, eingespiel­t 1920 von der Original Dixieland Jazz Band.

Natürlich Mono-Aufnahmen und noch nicht direkt auf Schellack gepresst, sondern von Wachsmatri­ze auf Schellack übertragen­e. Seit sieben Jahren sorgen die Clubabende für ein gut besuchtes Wilhelm 13.

Jazzazza Jazzband

45 Jahre gesammelt

Die bisher 17 (!) von Uwe Tiedemann durchgefüh­rten Clubabende im Jazzclub hatten besondere Themen und beschäftig­ten sich mit Jazzperlen. Sie basieren auf seiner Schellack-Sammlung, die er in den vergangene­n 45 Jahren aus weltweiten Quellen zusammenge­tragen hat. Sein Wissen und die Sammlung sind ein Juwel und seine Konserven-Konzerte stets ein Genuss. Nicht nur wegen der Musik, auch aufgrund seiner besonderen Moderation.

Seine eigens zusammenge­stellte Fachbiblio­thek zur Jazzgeschi­chte liefert den faktischen

Zieht seit Jahren das Publikum mit seinen Musikvorfü­hrungen an: Uwe W. Tiedemann gestaltete seinen 17. Clubabend im Wilhelm 13 (hier eine frühere Aufnahme) – es war der 50. Clubabend des Jazzclub Alluvium.

Hintergrun­d zu den im Plauderton vorgetrage­nen Beschreibu­ngen der gespielten Musiktitel. Sie umfasst nicht nur als „JAZZ“definierte Platten, ethnische Folklore, Spirituals, Blues, Gypsymusic und Klezmer sondern auch die 50er Jahre des Rock’n Roll. Für ihn ist sie ein „stilles“Kleinod und er hofft, noch irgendwann eine kleine, wissenscha­ftlich fundierte Publikatio­n erstellen zu können.

Denn seine in langer Sammelakti­vität gewonnenen Kenntnisse sollen nicht „versanden“. Zum 50. Clubabend kamen auch Gäste aus der benachbart­en Synagoge. Tiedemann brachte dem Thema folgend also viele Evergreens jüdisch-jiddischer Komponiste­n und Interprete­n wie „Yiddisher Charleston“, „Schwarze Augen“, „My yiddishe Mame“und natürlich „Summertime“zu Gehör. Beim Auflegen dieser Schellack-Raritäten gehören weiße Stoffhands­chuhe zur Grundausst­attung seiner „Performanc­e“.

50. Clubabend

Und Tiedemann machte es sichtlich Freude sein Publikum zu begeistern, auch dann, wenn er seinen Platz auf der kleinen Bühne verließ und sich zur Kontrolle des Raumklangs im Taktmaß swingend unter das Publikum mischte.

Unterstütz­t von seiner Frau wurden in der Pause kleine

vorbereite­te Snacks und (mit einem Augenzwink­ern zum 50. Clubabend) Mozart-Kugeln gereicht sowie der Raum durch Öffnen der Türen und Fenster durchlüfte­t. Kalt wurde es dort nicht, die heißen

Rhythmen sorgten vor. Den Abschluss des Abends bildeten Sidney Bechets lyrisch klingendes „Cashbah“, Louis Armstrongs „Spooks“und das mit einem zweiten Augenzwink­ern aufgelegte Stück

„Nightmare“von Artie Shaw aus dem September 1938.

„Bei mir bistu shein“wurde an dem Abend im Original und einer späteren Version aufgelegt. Ja, es war schön bei ihm und im W 13.

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BILD: Yannoh Mügge/Archiv

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