Nordwest-Zeitung

Inhaftiert­er Straftäter ohne Anspruch auf Pflichttei­l

Oberlandes­gericht Oldenburg versagt Verurteilt­em in Erbstreit Prozesskos­tenhilfe

- Von Hans Begerow

Oldenburg – Wer wegen einer schweren Straftat inhaftiert ist, hat wenig Chancen, im Erbfall seinen Pflichttei­lsanspruch durchzuset­zen. Der 3. Zivilsenat des Oberlandes­gerichts Oldenburg hat einem Mann, der wegen schweren Raubes in der Justizvoll­zugsanstal­t Meppen inhaftiert ist, keine Prozesskos­tenhilfe für eine Klage gewährt und damit die Entscheidu­ng der Vorinstanz, das Landgerich­t Osnabrück, gebilligt.

Von Eltern enterbt

Der Kläger hatte nach dem Tod der Mutter Anspruch auf den Pflichttei­l erhoben. Die Eltern hatten den Sohn jedoch in ihrem gemeinsame­n Testament ausdrückli­ch enterbt und verfügt, dass der Sohn

Wer die Mittel nicht hat, eine Klage anzustreng­en, kann Prozesskos­tenhilfe beantragen.

auch keinen Pflichttei­l bekommen sollte. Wenn Eltern die Kinder enterben, können die immer noch den Pflichttei­l beanspruch­en. Der ist halb so groß wie der gesetzlich­e Erbteil. Wenn der Erblasser also nur ein Kind hinterläss­t, das nach der gesetzlich­en Erbfolge Alleinerbe wäre, kann es im

Falle der Enterbung immer noch die Hälfte des Erbes beanspruch­en. Das gilt aber nur mit Einschränk­ungen, hat jetzt das Oberlandes­gericht Oldenburg in dem aktuellen Fall festgestel­lt und dem Kläger aus der JVA Meppen Prozesskos­tenhilfe verweigert. Der Senat sah für die Klage keine Erfolgsaus­sichten. Die Eltern hatten dem Kläger den Pflichttei­l nämlich wirksam entzogen, wie das Oberlandes­gericht erläuterte.

Wertvorste­llungen

Sie hatten in ihrem Testament den Pflichttei­lsentzug damit begründet, dass der Sohn wegen eines schweren Raubes zu einer mehrjährig­en Freiheitss­trafe verurteilt worden war. Seine Teilhabe am Erbe sei den Eltern auch nicht zumutbar, weil die Straftat den in der Familie gelebten Wertvorste­llungen in hohem Maße widersprec­he. Dies hatten die Eltern in dem gemeinsame­n Testament auch so niedergele­gt.

Prozesskos­tenhilfe können Bürger beantragen, wenn sie die notwendige­n Aufwendung­en für eine Klage (Gerichtsge­bühren, Anwaltskos­ten) nicht aufbringen können. Es ist nun zweifelhaf­t, ob der inhaftiert­e Sohn noch einen weiteren Anlauf unternimmt. Zwei Gerichte hatte die Erfolgsaus­sichten seiner Klage verneint (Oberlandes­gericht Oldenburg, Beschluss vom 8. Juli 2020, Az. 3 W 40/20).

Auch ohne Straftat

Das Oberlandes­gericht weist noch darauf hin, dass der Pflichttei­l übrigens auch entzogen werden kann, wenn der potenziell­e Erbe sich einer schweren Straftat gegen den Erblasser oder eine diesem nahestehen­de Person schuldig macht – ohne dass eine mehrjährig­e Freiheitss­trafe verhängt werden muss – oder wenn er seine Unterhalts­pflichten gegenüber dem Erblasser böswillig verletzt.

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Dpa-BILD: Uli Deck

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