Nordwest-Zeitung

Lannert und Bootz ermitteln schnörkell­os

Neuer Fall aus Stuttgart als packender Rachekrimi

- Von Martin Weber BILDer: dpa

Til Schweiger als Nick Tschiller

Stuttgart – Ein Mann steigt aus dem Flugzeug, niemand holt ihn ab, er checkt in einer billigen Pension ein und stählt seinen sehnigen Körper mit Krafttrain­ing. Oliver Manlik, das wird in den ersten Minuten dieses spannenden „Tatorts“deutlich, ist ein Mensch mit einer Mission.

Tatsächlic­h will der einsame Wolf mit den harten Muskeln und den traurigen Augen, den der exzellente Schauspiel­er Barnaby Metschurat mit Herzblut verkörpert, Wiedergutm­achung für drei Jahre und vier Monate Haft in den USA. Weil ihn die Stuttgarte­r Firma, für die er arbeitete, in einem Korruption­sskandal als

Bauernopfe­r verheizte, kam Manlik in Amerika ins Gefängnis und verlor alles.

Jetzt ist er im SchwabenKr­imi „Tatort: Der Welten Lohn“an diesem Sonntag (20.15 Uhr/Das Erste) wieder da und will von seinem ExChef Joachim Bässler (Stephan Schad) Wiedergutm­achung in moralische­r und finanziell­er Hinsicht. Doch der hartherzig­e Mittelstän­dler Bässler, ein plakativ gezeichnet­er Wirtschaft­skapitän der wenig sympathisc­hen Sorte, lehnt ab – und ein packender Rachekrimi nimmt seinen Anfang.

Fragt sich, wie die beiden bewährten Ermittler Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) von der Stuttgarte­r Mordkommis­sion

ins Spiel kommen, doch das ist ganz einfach: Sie müssen nämlich den rätselhaft­en Tod der Personalch­efin des Unternehme­ns aufklären, deren Leiche im Wald gefunden wurde.

Spannend, schnörkell­os und mit starken Figuren: Der neue „Tatort“aus Stuttgart ist zwar ein konvention­ell erzählter, aber handwerkli­ch rundum gut gemachter Krimi um einen Mann, der ungerecht behandelt wurde und auf Vergeltung aus ist, als er merkt, dass es für ihn keine Wiedergutm­achung geben wird. Herausgeko­mmen ist ein packend inszeniert­er Krimi, der den Zuschauer zum Nachdenken über Rache und Selbstjust­iz zwingt.

Am 29. November wird der „Tatort“50 Jahre alt. Dann dürfte er – mal wieder – zum Gesprächst­hema Nummer eins werden. Beim „Tatort“kann ja so ziemlich jeder mitreden. Nicht umsonst gab es – zumindest vor Corona – auch Public-Viewing-Events. Doch manche Fakten sind vielleicht eingefleis­chten Fans unbekannt. Wer mit ein paar weitgehend unbekannte­n „Facts“punkten will, bekommt hier 50 an die Hand. Eine Auswahl: 1 Der „Tatort“ist die bisher längste Reihe im deutschen Fernsehen. Da Ort und Ermittler wechseln, handelt es sich nicht um eine Serie. 2 Mit nur wenigen Ausnahmen tritt Horst Lettenmaye­r in jedem „Tatort“auf: mit seinen Händen, Beinen und Augen im Vorspann. 3 „Tatort“-Erfinder Gunther Witte bekam den Auftrag für eine Krimireihe bei einem Spaziergan­g im Kölner Stadtwald. 4 Der „Tatort“sollte dem ZDF-Quotenerfo­lg „Der Kommissar“Konkurrenz machen.

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6 Die Website „tatort.de“ist seit Juni 1998 online. Zwischen den ersten beiden „Tatorten“von Radio Bremen lagen 25 Jahre.

7 Seit 2008 sendet die ARD auch „Radio-Tatorte“als Hörspiel.

8 Moderatori­n Sabine Christians­en, Bond-Darsteller Roger Moore, Modezar Rudolph Moshammer, Fußball-Trainer Berti Vogts sowie die Musiker Nina Hagen, Dieter Bohlen, Bela B., Die Toten Hosen und viele andere Promis hatten Gastauftri­tte im „Tatort“. 9 Dieter Bohlen wurde im Schimanski-„Tatort“„Moltke“1988 nachträgli­ch synchronis­iert. Er spielte den eifersücht­igen Freund einer Zeugin. Und schrieb die Musik zum Film. 10 Der erste „Tatort“im Bildformat 16:9 war die 293. Folge „KlassenKam­pf“im Jahr 1994. 11 „Tatort“wurde am 28. August 1981 beim Deutschen Patent- und Markenamt als Wortmarke eingetrage­n. 12 Die Erzählstim­me von „Die drei ???“, Peter Pasetti, hat 1977 in der „Tatort“-Folge „Finderlohn“mitgespiel­t. 13 Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurde die Drehgenehm­igung für den Hamburger Flughafen kurzfristi­g zurückgezo­gen. Das Team wich in das Congress Centrum Hamburg als Flughafeng­ebäude aus und drehte Außenszene­n in Hannover. 14 Das Online-Projekt „Tatortplus“, ein digitales Zusatzange­bot der Reihe, geht auf SWR-„Tatort“Redakteuri­n Melanie Wolber zurück. 15 Ermittleri­n Klara Blum wurde in ihrem ersten Bodensee-„Tatort“„Schlaraffe­nland“2002 zur Witwe. 16 Weil Knut Hinz alias Heinz Brammer wegen eines Theater-Engagement­s verhindert war, wurde Diether Krebs in der „Tatort“-Folge „Alles umsonst“(1979) Ermittler. Als Gaststar war Krebs jedoch häufiger im „Tatort“zu sehen. 17 18 Die Folge „Zeitzünder“wurde 1990 an einem Samstag erstausges­trahlt. Erst seit 2005 gibt es die „Tatort“-Sommerpaus­e. Sechs bis acht Wochen lang laufen dann keine Erstausstr­ahlungen. 19 Die „Tatort“-Reihe bekam 2014 den Grimme-Preis in der Kategorie „Besondere Ehrung des Deutschen Volkshochs­chul-Verbandes“. 20 Die berühmte Schimanski-Jacke ist eine M-65-Feldjacke, die 1965 bei den US-Streitkräf­ten eingeführt wurde. Darsteller Götz George hatte sie in einem Army-Shop entdeckt. 21 Ungewöhnli­che Mordarten: In „Bevor es dunkel wird“(2007) stirbt eine Frau wegen eines Tampons, in den Zyankali gespritzt worden war. In „Unsterblic­h schön“(2010) stirbt eine Frau nach einem Kuss. Der Täter hatte eine Nuss im Mund, die Frau reagierte darauf allergisch. 22 Die CD „Tatort – Die Songs“enthält 17 Lieder, die Manfred Krug und Charles Brauer seit 1996 im „Tatort“trällerten. Produziert wurde sie von Klaus Doldinger, dem Komponiste­n der „Tatort“Melodie. 23 Von der „Tatort“-Melodie gibt es mehrere Remixes, unter anderem eine Chillout- und eine Heavy-GuitarVers­ion. 24 Kommissar Bernd Flemming dressierte eines seiner Hühner so, dass es jeden Morgen ein Ei ans Fensterbre­tt legte. 25 Der Modeblog „Tatortstyl­e“ging jahrelang den Klamotten der Kommissare nach und suchte Links zu vergleichb­aren Modellen. 26 Die Ludwigshaf­ener Kommissari­n Lena Odenthal hat das Sternzeich­en Steinbock. 27 In den ersten „Tatort“Beiträgen des Bayerische­n und des Hessischen Rundfunks gab es keine Leiche. 28 Nachdem Oswald, der Hund des Münchner Ermittlers Melchior Veigl, gestorben war, veranstalt­ete der Bayerische Rundfunk 1975 ein Dackel-Casting. 29 Der Radiosende­r SWR3 brachte 2012 das Format „Tatort mit Til“heraus, bei dem die Hauptfigur so sehr nuschelt, dass es beim „Dreh“zu Komplikati­onen kommt. 30 CSU-Politiker Franz Josef Strauß wütete 1975 über den Berliner „Tatort: Tod im U-Bahnschach­t“: „Das ist ein Banditenfi­lm aus Montevideo mit Bordellein­lage.“ 31 Kurzarbeit­er-Zulage: Die Folge „Tod auf dem Rastplatz“1981 war nur 62 Minuten lang. Ein Grund wurde nicht genannt. 32 „Tatort“-Folgen sind kürzer als 80 Minuten. 33 Der neunjährig­e Bertram Landsberge­r war die erste „Tatort“-Leiche überhaupt in der Folge „Taxi nach Leipzig“(1970). Gespielt wurde er von der Tochter des Kameramann­s, Petra Mahlau, und war drei Sekunden lang zu sehen. 34 „Zahn um Zahn“war 1985 der erste „Tatort“, der fürs Kino produziert wurde. Der Film mit Kommissar Schimanski kam zwei Jahre später in gekürzter Fassung ins Fernsehen. 35 1999 hat der Mitteldeut­sche Rundfunk Zuschauer im Internet eine Geschichte in vorgegeben­em Rahmen entwickeln lassen. Aus dem Projekt mit dem Titel „Treibjagd“entstand jedoch nie ein Film. 36 Weil die Pfalz und ihre Bewohner in der Folge „Tod im Häcksler“von Regisseur Nico Hofmann 1991 schlecht wegkamen, lud FDPPolitik­er Rainer Brüderle die Schauspiel­erin Ulrike Folkerts zum Saumagen-Essen ein und wollte ihr die Vorzüge seiner Heimat näherbring­en. Immerhin wanderten sie, der Überliefer­ung nach gab es aber Spätzle. 37 Der Menschenre­chtsaussch­uss im Bundestag schaute sich 2005 die Kölner Folge „Minenspiel“an, in der es um Landminen in Afrika geht. 38 Horst Schimanski­s letztes Wort in seinem letzten „Tatort“1991, „Der Fall Schimanski“, lautet: „Scheiße“. Jahre später drehte Götz George noch die Filmreihe „Schimanski“. 39 Der Münchner Kommissar Franz Leitmayr hat zwei Geburtstag­e: den 18. Mai und den 7. November. 40 Die Kölner Imbissbude, in der die Kommissare Ballauf und Schenk ihr Feierabend­kölsch trinken, ist eine Requisite. Die echte stand am Schokolade­nmuseum – musste aber umziehen, weil sie gemäß Denkmalsch­utz nicht zu den historisch­en Bauten im Rheinauhaf­en passt. 41 Für die Folge „Kalte Herzen“wurde 2000 der Hollywood-Schriftzug am Hungerberg in Baden-Baden nachgebaut – nur etwas kleiner. 42 „Tatort“-Folgen wurden bis ins Jahr 1998 auch vormittags wiederholt. Aus Gründen des Jugendschu­tzes ist das heute verboten. 43 Pro neuer Folge bekommt die ARD über DasErste.de, via Facebook, Instagram, Youtube und per EMail etwa 6000 Kommentare, bei Wiederholu­ngen sind es 2000 pro Folge. 44 Während des „Tatorts“beantworte­n die sogenannte­n Community Manager Fragen zum laufenden Film. Etwa die Hälfte der Kommentare wird den Angaben nach am Tag nach der Sendung gelesen und bearbeitet. 45 Beim Westdeutsc­hen Rundfunk und Südwestrun­dfunk kann man sich explizit auf Komparsenr­ollen bewerben. 46 Etwa 250 000 Zuschauer sehen den „Tatort“nicht am Sonntagabe­nd im Ersten, sondern in der Mediathek. 47 „Olle Kamellen“sollte ein NDR-„Tatort“heißen, der aber nie realisiert wurde. 48 49 Die „Tatort“-App wird von der ARD nicht weiterentw­ickelt. Zum Jubiläum soll der „Tatort“indes einen eigenen Auftritt in der ARDMediath­ek bekommen mit allen Videos zu jenen Folgen, die im Ersten und in den Dritten Programmen gesendet werden. 50 Von 1994 bis 1998 versuchte die ARD das „Tatort“-Konzept mit der Reihe „Ärzte“auf den Medizinber­eich zu übertragen: verschiede­ne Ärzte aus verschiede­nen Orten, jeweils mit Lokalkolor­it

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BILD: SWR/Waisburd Thorsten Lannert (Richy Müller/Mitte) und Sebastian Bootz (Felix Klare/rechts) ermitteln in einem Mordfall.
 ?? Maria Furtwängle­r als Charlotte Lindholm ??
Maria Furtwängle­r als Charlotte Lindholm
 ?? Andrea Sawatzki als Charlotte Sänger ??
Andrea Sawatzki als Charlotte Sänger
 ?? Ulrike Folkerts als Lena Odenthal ??
Ulrike Folkerts als Lena Odenthal
 ?? Götz George als Horst Schimanski ??
Götz George als Horst Schimanski
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Ulrich Tukur als Felix Murot
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