In der „Stadt der Sünde“wächst die Wut
In US-Metropole Las Vegas bleiben die Touristen aus – Warum die Quittung dafür Donald Trump bekommt
Las Vegas – Wer das ganze Elend der Spieler- und Vergnügungsmetropole Las Vegas zu Zeiten der Corona-Pandemie erkennen und die politischen Auswirkungen erahnen will, muss nur mit Cynthia Fisher reden. Die 63-Jährige ist eine der wenigen Menschen, die im Andenkenladen des Hotels „Planet Hollywood“noch Arbeit haben. Ganze zwei Verkäufe habe sie persönlich an diesem Tag gehabt, beschreibt die leitende Angestellte die Misere. „Sonst machen wir bis zu 10000 Dollar am Tag, heute waren es noch nicht einmal 1000 Dollar.“
Gähnende Leere
Der Hotelkomplex, in dem es sonst nur so von Touristen wimmelt, ist nahezu ausgestorben. Hotelgäste werden nur noch, sagt Fisher, von donnerstags bis montags angenommen – eine Praxis, der sich andere Groß-Herbergen wie der „Wynn“-Palast angeschlossen haben. Zwar ist das „Planet Hollywood“-Casino im Erdgeschoss noch rund um die Uhr geöffnet. Doch auch hier herrscht weitgehend Leere. Corona macht den Menschen mit Blick auf die nächste Spitze in der Pandemiekurve
Angst. Und die Maskenund Abstandspflicht wird im Hotel mit Kameras überwacht.
Keine andere Stadt ist von Corona so stark in den USA betroffen wie die Metropole in Nevada. Und in keiner anderen Stadt toben wohl die Schuldzuweisungen für die
Rekord-Arbeitslosigkeit von 15,5 Prozent im August so heftig wie hier. Und ob Donald Trump oder Joe Biden in „Sin City“, der Stadt der Sünde, die sechs Wahlmännerstimmen gewinnen, hängt davon ab, welcher Partei die Wähler mehr für die Misere Schuld geben.
Die Parteien wissen: Geht es am 3. November ganz knapp aus, könnte Nevada das Zünglein an der Waage sein.
Deshalb kommt es auf jede Stimme an – auch auf die von Cynthia Fisher, die nur noch vier Tage in der Woche arbeiten darf und sich fragt, wie sie
mit dem bei ihr wohnenden arbeitslosen Bruder die nächste Hypothekenrate zahlen soll. „Die ganze Stadt ist zornig,“sagt sie, „der Shutdown, der hat alles kaputt gemacht. Die Menschen sind wütend und müde.“Sie macht keinen Hehl daraus, dass sie für Donald
Trump stimmen wird, der immer wieder auf ein Ende der Beschränkungen gedrängt hat. Der von Demokraten regierte Bundesstaat setzte auf massive Einschränkungen – und nun steigen in Nevada wieder die Infektionszahlen.
Elend am „Strip“
Vor allem im nördlichen Teil des „Strip“tritt das ganze Elend visuell zutage. Alle fünf Meter ein Obdachloser, die Schmuck- und Andenkenläden mit Sperrholz verbarrikadiert. Die Büros, in denen Heirats-Zertifikate ausgestellt werden, sind ebenso menschenleer wie die „Wedding Chapels“, in denen so mancher Gast berauscht von Alkohol und Zockeratmosphäre einen Bund fürs Leben schloss.
Der Casino-Unternehmer Steve Wynn will nun erst einmal an der Schließung seiner Resorts zu bestimmten Tagen festhalten. „Unsere Stadt stirbt langsam weiter“, sagt Cynthia Fisher empört. Die Quittung dafür dürfte, das zeigen Umfragen, der amtierende Präsident Donald Trump bekommen, dem das Missmanagement der Pandemie angelastet wird. Joe Biden, der für eine restriktive Corona-Politik der Demokraten steht, führt in Nevada derzeit mit rund sechs Prozent.