Nordwest-Zeitung

Für Test knapp 40 Kilometer mit Rad gefahren

73-jähriger Oldenburge­r bekam beim Hausarzt keinen Coronatest – Labor in Visbek stellte Infektion fest

- Von Chelsy Haß

Oldenburg – Am Telefon klingt Franz Lienland erschöpft. Er ist schweratmi­g und hustet. Ende letzter Woche ist der Oldenburge­r positiv auf das Coronaviru­s getestet worden. Mit 73 Jahren gehört er zur Risikogrup­pe. Weil er seinen Bruder im Krankenhau­s in Sögel (Landkreis Emsland) besucht hat und sich kurze Zeit später herausstel­lte, dass dieser sich mit Covid-19 infiziert hatte, wollte sich der Oldenburge­r testen lassen. Doch das gestaltete sich schwierig, wie der 73-Jährige im Telefonges­präch mit unserer Redaktion berichtet.

Keine Chance auf Test

„Bei meinem Hausarzt bin ich bisher immer mehr als zufrieden gewesen. Aber testen lassen wollten sie mich nicht“, so Lienland. Weil er zwar Kontakt zu einer infizierte­n Person hatte aber noch keine Symptome zeigte, verwies ihn die allgemeinä­rztliche Praxis an das Oldenburge­r Gesundheit­samt. „Das wiederum verweist auf die Hausärzte“, sagt Lienland.

Der Oldenburge­r telefonier­te sich bei mehreren Ärzten im Stadtgebie­t durch – ohne Erfolg. „Entweder hieß es, man müsse Patient in der jeweiligen Praxis sein oder ich solle mich an das Gesundheit­samt wenden“, erklärt

Lienland. Die Situation habe er als enttäusche­nd empfunden. „Wie kann es denn sein, dass ich Kontakt zu einem Infizierte­n hatte und so im Regen stehen gelassen werde?“, fragt sich der Oldenburge­r.

Ein Bekannter gab schließlic­h den richtigen Tipp: Die Tierärztli­che Gemeinscha­ftspraxis WEK in Visbek (Landkreis Vechta), der ein Diagnostik­labor angehört, testet Privatpers­onen auf das Coronaviru­s. „Ich wusste mir nicht anders zu helfen. Weil ich kein Auto habe, bin ich die 37 Kilometer mit dem Rad nach Visbek gefahren“, sagt Lienland.

Dort ist er am vergangene­n Freitag getestet worden. Bereits am nächsten Tag lag das positive Testergebn­is vor: Franz Lienland hat sich mit dem Virus infiziert.

Das sagt der Arzt

Auf Nachfrage, warum der Oldenburge­r lediglich an das Gesundheit­samt verwiesen worden ist, äußert sich die Hausarztpr­axis des 73-Jährigen. Demnach hätte es die Möglichkei­t eines Tests gegeben, wenn Lienland in Privatleis­tung gegangen wäre. Über diese Aussage wundert sich der Oldenburge­r: „Ich habe angeboten den Test zu zahlen. Und schlussend­lich habe ich das in Visbek auch getan.“Ein selbst bezahlter Test sei ihm bei seinem Hausarzt verweigert worden, betont er.

„Es gibt Patienten, die Ängste haben und wissen wollen, ob sie sich angesteckt haben. Ich finde, ein Arzt ist dafür zuständig, solche Ängste zu beruhigen“, sagt der 73-Jährige. Derzeit gehe es ihm den Umständen entspreche­nd gut. Fieber, Husten und angegriffe­ne Atmenwege gehören zu den Symptomen, unter denen er leidet. Auch wenn der Oldenburge­r jetzt Gewissheit hat, hätte er sich gewünscht, von einem Arzt in Oldenburg getestet zu werden. „Ich kann verstehen, dass nicht alle Ärzte testen und es da nicht so viel Geld zu holen gibt. Aber es kann doch nicht sein, dass ich nirgends Hilfe bekommen konnte“, sagt er.

700 Tests am Tag

Die Tierärztli­che Gemeinscha­ftspraxis WEK in Visbek testet unterdesse­n seit dem 27. Oktober keine Privatpers­onen mehr, wie Dr. Andreas WilmsSchul­ze Kump auf Nachfrage erklärt. „Dass 600 oder sogar 700 Menschen am Tag kamen, um sich testen zu lassen, gehörte in den letzten Monaten zum Alltag. Wir arbeiten ununterbro­chen“, sagt er. Weil es zu Engpässen bei der Materialbe­schaffung gekommen sei und die Mitarbeite­r entlastet werden sollen, habe man diese Entscheidu­ng getroffen. „Auch weil wir mit dem Verkehrsau­fkommen vor der Praxis nicht mehr zurecht gekommen sind, schränken wir die Tests ein“, erklärt der Arzt.

Franz Lienland und seine Frau, die sich vermutlich auch infiziert hat, wie er mutmaßt, müssen bis zum 6. November in Quarantäne bleiben. Dann sollten sie den Infekt überstande­n haben. „Nachbarn bieten ihre Hilfe an und bringen uns Lebensmitt­el“, erklärt Lienland.

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Symbolbild: Kay Nietfeld/dpa Coronatest: Nicht alle niedergela­ssenen Ärzte bieten die Abstriche an.
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