Nordwest-Zeitung

Neuer Blick auf Mordanschl­ag

Dokudrama von Schnibben/Dörfler über das Attentat auf Rudi Dutschke im April 1968

- Von Hans Begerow

Berlin – „Drei Kugeln auf Rudi Dutschke, ein blutiges Attentat. Wir haben genau gesehen, wer da geschossen hat“, so hat der Liedermach­er Wolf Biermann das Attentat auf den prominente­sten Vertreter der Studentenb­ewegung, Rudi Dutschke, am 11. April 1968 besungen. Für Biermann wie für Hunderttau­sende junger Leute war klar: Der SpringerKo­nzern hatte mit seinen Blättern gegen die linkssozia­listischen Vorstellun­gen der Studentenb­ewegung gehetzt und ein Klima geschaffen, in der sich eine Gewaltspir­ale immer schneller drehte.

Rechtsradi­kale Kreise

Die Autoren Peter Dörfler und Cordt Schnibben haben sich den Attentäter Josef Bachmann und seine Motive genauer angeschaut und für den Norddeutsc­hen Rundfunk ein Dokudrama geschaffen, das ab Montag, 2. November, spätabends im Ersten (23.35 Uhr) und ab 18 Uhr in der ARD-Mediathek zu sehen ist.

Bachmann war, so die Autoren, kein verwirrter Einzeltäte­r. Bachmann bewegte sich in rechtsradi­kalen Kreisen

Der arbeitslos­e Anstreiche­r Josef Bachmann (Rafael Gareisen) verübte am 11. April 1968 in Berlin ein Attentat auf den charismati­schen Studentenf­ührer Rudi Dutschke.

in Peine, wo er sich auch eine zur Mordwaffe aufgebohrt­e Schrecksch­usspistole besorgte. Sie gehen auch der Frage nach, warum die Ermittlung­sbehörden in Niedersach­sen zwar Bachmanns Waffenlief­eranten verhörten, aber Bachmanns neonazisti­sches Umfeld im Gerichtsve­rfahren keine Rolle spielte.

Für diese Teile der Recherche, den Mordanschl­ag auf dem Kurfürsten­damm in Berlin wie für die anschließe­nde Gerichtsve­rhandlung (Bachmann wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt und verübte 1970 Suizid) nutzen die Autoren dramatisie­rte Szenen. Aaron Hilmer ist als Rudi Dutschke zu sehen, Rafael

Gareisen als Josef Bachmann.

Cordt Schnibben und Peter Dörfler haben eine Reihe von Zeitzeugen befragt: Gretchen Dutschke, Stefan Aust, Rainer Langhans, Barbara Sichterman­n, Peter Schneider, Knut Nevermann, Bernd Rabehl, Bahman Nirumand, Peter Wensierski, Elsa Rassbach, Thomas Giefer, Hartmut Moldenhaue­r und Olaf Dinné, die mit ihren Einschätzu­ngen die Ereignisse vor 52 Jahren transparen­ter werden lassen.

Nebenrolle für Mahler

In einer kleinen Dokudrama-Nebenrolle lassen sie auch Horst Mahler auftreten (im Film legt er im Auftrag von Rudi Dutschke einen Blumenstra­uß auf Bachmanns Grab, das ist übrigens tatsächlic­h passiert). Der ist Apo-Anwalt, RAF-Mitbegründ­er, nach seiner Haft nach Rechtsauße­n gedriftet und mittlerwei­le als Holocaust-Leugner mehrfach in Haft gewesen. Seit ein paar Tagen ist er wieder frei.

Kurzum: Ein aufschluss­reiches und unterhalts­ames Dokudrama, das die 68er-Zeit ins Wohnzimmer holt. Rudi Dutschke starb übrigens Heiligaben­d 1979 an den Spätfolgen des Attentats. Mit dem Attentäter war er über Briefe in Kontakt getreten.

„Dutschke – Schüsse von rechts“; Montag, 2. November, 23.35 Uhr, Das Erste; bereits ab 18 Uhr in der ARDMediath­ek zu sehen.

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NDR-BILD: Schöningh

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