Armer Willy
Hauptstadtflughafen Eröffnung des BER fällt in schwerste Krise der Luftfahrt
Berlins Flughafen ist in Betrieb, die Kabarettisten des Landes tragen Trauer. Neun Jahre lang war ihnen das pannenreiche Werkeln an Deutschlands drittgrößtem Airport ein nicht versiegender Quell an Inspiration. So viel Murks hatte die Welt noch nicht gesehen: Der Flughafen wurde zum Treppenwitz der Geschichte. Nun steht das Bauwerk, für das Willy Brandt seinen Namen hergeben musste, wohl bis auf Weiteres als Mahnmal für kollektives Versagen von Politik, öffentlichem und privatem Bauwesen. Armer Willy. Das hat er wahrlich nicht verdient.
Schönefeld – Endlich Durchstarten nach dem Baufiasko: Mitten in der Corona-Krise hat der Hauptstadtflughafen BER eröffnet. Mehrere Tausend Fluggäste checkten am Wochenende am neuen WillyBrandt-Flughafen ein oder landeten dort. In den langen Gängen hatten sie viel Platz: Wegen der Seuche wird viel weniger geflogen als üblich.
„Endlich können wir unseren Flughafen in Betrieb nehmen. Endlich“, sagte Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup bei der Eröffnung. Nur einige Dutzend Gäste waren dabei, wegen Corona, aber auch wegen der Geschichte des Projekts mit Managementfehlern und Baumängeln. Der BER ging mit neun Jahren Verspätung ans Netz.
Anders als geplant
Auch die Eröffnung lief nicht wie geplant: Die beiden ersten Flugzeuge konnten nicht gleichzeitig auf den beiden Landebahnen aufsetzen. Wegen schlechter Sicht entschied der Tower, dass sie nacheinander landen, erst Easyjet, kurz darauf Lufthansa.
Der Luftverkehr Berlins und Brandenburgs wird am Standort des früheren DDRFlughafens Schönefeld konzentriert. In den nächsten Tagen ziehen sämtliche Airlines von Tegel zum BER, der Berliner Innenstadtflughafen schließt am kommenden Sonntag. Flughafenchef Lütke Daldrup betonte dennoch, dies sei „kein historischer Tag“.
64 Passagiere einer EasyjetMaschine nach London waren die ersten, die am Sonntag im BER eincheckten. Am Samstagabend waren bereits einige Flugzeuge mit Urlaubern dort gelandet. Insgesamt standen am Sonntag 23 Starts und Landungen auf dem Flugplan für den neuen Terminal.
Die Eröffnung fällt in die schwerste Krise der Luftfahrt seit dem Zweiten Weltkrieg. Fluggesellschaften ringen um ihre Existenz, und die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg macht Verluste. Sie rechnet frühestens Mitte der 2020er Jahre mit Gewinn.
Sechs Milliarden Euro
„Wir werden alle miteinander einen harten Winter haben“, kündigte Lütke Daldrup an. Nach dem vollständigen Umzug rechne man am BER am kommenden Sonntag mit gut 15 000 Fluggästen statt der üblichen 80000. Lange meinten Kritiker, der neue Berliner Flughafen sei zu klein geraten. Jetzt wird die Jahreskapazität von 41 Millionen Fluggästen bei Weitem nicht ausgereizt.
Sechs Milliarden Euro hat der Bau bislang verschlungen, drei Mal so viel wie geplant. Nicht nur deshalb ist der Flughafen umstritten. Hunderte Klimaschützer und Gegner des Flughafenprojekts zogen am Samstag zum BER. Aufgerufen hatten Fridays for Future Berlin, Extinction Rebellion und die Jugend des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
„Die Zeit der Jokes über den BER muss jetzt zu Ende sein.
Andreas Scheuer, Bundesverkehrsminister (CSU)
Wir brauchen die Augenhöhe mit den Flughäfen Frankfurt am Main und München.
Dietmar Woidke, Ministerpräsident Brandenburg (SPD)
Dieser Flughafen ist auch ein Stück weit Wiedervereinigung und Nachwendegeschichte.
Michael Müller, Regierender Bürgermeister Berlin (SPD)
Coole Vögel bleiben am Boden. Protestierende Klimaschützer, auf einem Transparent