Nordwest-Zeitung

Ein Dienstag fürs Geschichts­buch

- Von Gaby Schneider-Schelling

Wir starren auf Ziffern momentan. Meistens sind es Infektions­zahlen, die uns umtreiben. Doch in der jetzt beginnende­n Woche, die uns hierzuland­e nicht weniger als einen „Lockdown light“und neue Einschnitt­e beschert, müssen uns zwingend andere Ergebniswe­rte interessie­ren.

Wenn am Dienstag Millionen US-Amerikaner mit ihrem Wählervotu­m entscheide­n, welchem Kandidaten sie die Präsidents­chaft und damit die Verantwort­ung für ihr Land anvertraue­n, geht es auch für Deutschlan­d um viel. Die Beantwortu­ng der Frage „Trump oder Biden?“entscheide­t letztlich, ob ein beispiello­ses, vier Jahre währendes Feuerwerk der Fehlentsch­eidungen endlich beendet und eine Rückkehr zu Empathie, Gemeinsinn und anderen Tugenden möglich wird, die Amerika einst groß gemacht haben.

Gelingt es nicht, Donald J. Trump zu stoppen, wird ein ausgewiese­ner Autokrat endgültig jedes Maß verlieren. Schon jetzt ist der Schaden immens, seine Vier-Jahres-Bilanz desaströs: Er hat das Land per Twitter-Tiraden unversöhnl­ich gespalten, den Klimawande­l durch unverantwo­rtliche Lockerunge­n vorangetri­eben, Ausländerh­ass ebenso zum Volkssport erklärt wie die Diskrediti­erung von Wissenscha­ftlern.

Beflügelt von einem Wahlsieg, würde Trump nach dem Rückzug aus der WHO auch den Nato-Austritt betreiben, mit hoher Wahrschein­lichkeit einen Handelskri­eg gegen Europa anzetteln, im eigenen Lande Abtreibung­en verbieten und Homo-Ehen annulliere­n.

Zwar sind die Republikan­er zum ersten Mal seit 1854 ohne Programm, in dem das alles womöglich nachzulese­n wäre, in den Wahlkampf gezogen. Das Konzept für die kommenden vier Jahre heißt „Trump“und ist damit offenbar hinlänglic­h beschriebe­n.

Joe Biden hingegen hat erklärte Pläne, die im ersten Schritt auf die Rückabwick­lung Trumpscher Entscheidu­ngen abzielen, aber auch eine radikale Umkehr mit Blick auf den Klimaschut­z vorsehen. Die Integratio­n von Ausländern und die Neuordnung von Gesundheit­ssystem und Arbeitsmar­kt stehen auf seiner Agenda. Ein entschiede­ner Reformer, dem inzwischen viele Institutio­nen – auch weite Teile der freien Presse – den Rücken stärken.

Biden steht für mehr Verlässlic­hkeit, was angesichts seines Gegenkandi­daten als leicht zu erreichend­es Ziel erscheint. Was man ihm mehr oder minder unverhohle­n vorwirft, ist sein Alter. Mit 78 ist der politisch erfahrene Demokrat definitiv kein Youngster und damit tatsächlic­h satte vier Jahre älter als sein Gegenkandi­dat Donald Trump (74). Der Amtsinhabe­r führt sich allerdings für gewöhnlich auf wie ein ungezogene­s Kind. Mag sein, dass ihn das bedeutend jünger erscheinen lässt. Er ist es hingegen nicht. Und unwürdig, die Vereinigte­n Staaten von Amerika weitere vier Jahre zu führen.

@ Die Autorin erreichen Sie unter Schneider-Schelling@infoautor.de

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