Nordwest-Zeitung

Wenn nichts mehr geht, dann geht sie

Renate Köhler zeigt, dass auch mit 71 Jahren noch einiges geht

- Von Bernd Teuber Und Jan Zur Brügge

Oldenburg – Vielen geht zu weit, dass im Amateurspo­rt wie in vielen anderen Bereichen des öffentlich­en Lebens jetzt für gut vier Wochen fast nichts mehr. Renate Köhler geht der Teil-Lockdown zur Eindämmung der Pandemie nicht so auf die Nerven. Sie hat in der Corona-Krise im Gehsport eine neue Leidenscha­ft entdeckt und zeigt, dass auch mit 71 Jahren noch einiges geht. „Die Schließung von Sportanlag­en ist für mich nicht ganz so dramatisch“, sagt die Frau vom Bürgerfeld­er TB: „Gehen geht immer.“

■ Der Coronastar­t

Während viele das Laufen für sich (wieder-)entdeckt hatten, als die Pandemie im Frühjahr die sportliche Betätigung in den Vereinen schon einmal lahmgelegt hatte, fand Köhler den Weg zum Gehen. „Es kam für mich nicht in Frage, mich wegen Corona auf die faule Haut zu legen“, blickt sie zurück: „Da ich vorher schon nebenbei zwei- bis dreimal pro Woche acht bis zehn Kilometer walken war, habe ich im Internet recherchie­rt und bin so irgendwann auf Andreas Ritzenhoff gestoßen.“Der hat den Gehsport vor einiger Zeit zum BTB Oldenburg gebracht.

■ Die Herausford­erung

„Um Spaß beim Sport zu haben, brauche ich eine Herausford­erung – und in meinem Alter sind die Möglichkei­ten, Wettkampfs­port zu betreiben, schon etwas eingeschrä­nkt“, erzählt die Delmenhors­terin, die zuvor zwar selbst nie in der Leichtathl­etik aktiv war, sich aber immer gern Lauf- und Gehveranst­altungen angesehen hat. „Gehen ist ein technisch sehr anspruchsv­oller Sport – ich habe mich schon immer sehr für das Erlernen von Techniken interessie­rt. Sei es im Sport oder im Handwerk“, berichtet die 71-Jährige, die früher freiberufl­ich als Technische Zeichnerin tätig war.

■ Die Tanzkarrie­re

„Körperlich aktiv war ich immer – sei es auf den Baustellen oder beim Tanzen“, erklärt

Köhler und spricht damit ihren Lieblingss­port an. „Ich habe mein ganzes Leben lang getanzt. Auch wenn ich nicht im Verein war, irgendwo gab es immer eine Möglichkei­t dazu“, erzählt sie: „In meiner Jugend war es noch nicht so üblich wie heute, dass Kinder im Sportverei­n aktiv sind. Als Selbststän­dige und alleinerzi­ehende Mutter fehlte mir dann einfach die Zeit.“Erst mit 60 Jahren schloss sie sich der Tanzsporta­bteilung des Delmenhors­ter TV an, wo sie einige Jahre im Standard- und Lateinbere­ich aktiv war. Als ihre Formation mangels Tänzer

aufgelöst wurde, zo g es sie weiter zu Jahn Delmenhors­t.

■ Der Betriebsst­opp

Bei Jahn absolviert­e sie einige Turniere, ehe ihr Tanzpartne­r altersbedi­ngt aufhören musste. Einige Zeit trainierte Köhler gemeinsam mit 15bis 20-Jährigen, ehe sie sich aus dem Vereinstan­zen zurückzog. Zwei Jahre arbeitete sie bei „Fun Sports Delmenhors­t“, dem kleinsten Sportverei­n der

Stadt zweimal pro Woche an ihrer Fitness, bis Corona den Betrieb im Frühjahr stoppte.

■ Der Traum

So fand sie den Weg zum Gehsport beim BTB. „Es wird immer wieder behauptet, Gehen wäre schädlich für Hüfte und Knie. Das zeigt nur, dass die Leute sich nicht richtig informiere­n“, betont Köhler, die kurz vor dem aktuellen SportLockd­own sogar noch ihr Wettkampf-Debüt im thüringisc­hen Eisenberg gefeiert hat. Den Spaß am Gehsport und den Traum, 2021 ihre ersten Meistersch­aften zu bestreiten, lässt sie sich von der Pandemie und den jetzt verhängten Einschränk­ungen nicht nehmen. „Es gibt schöne Strecken zum Trainieren“, sagt die agile 71-Jährige: „Wenn schon alt werden, dann mit Qualität.“

In meiner Jugend war es noch nicht so üblich. Wenn schon alt werden, dann mit Qualität.

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BILD: privat Da geht was: Renate Köhler lieferte beim „Mühltalgeh­en“in Thüringen ein starkes Wettkampf-Debüt ab.

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