Nordwest-Zeitung

„Können nicht jedes Haus überwachen“

Cloppenbur­gs Landrat Johann Wimberg über die schwierige Kontakt-Nachverfol­gung

- Von Christina Sticht

Der Landkreis Cloppenbur­g machte in der Vergangenh­eit überregion­al selten Schlagzeil­en. Und wenn, dann wegen seiner hohen Geburtenra­te oder der Schweinedi­chte. Im September tauchte er als Corona-Hotspot auf der Deutschlan­dkarte des Robert KochInstit­uts auf. Landrat Johann Wimberg (CDU) hetzt seitdem von Krisentref­fen zu Krisentref­fen.

Warum sind bei Ihnen die Corona-Zahlen im Spätsommer plötzlich hochgeschn­ellt? Johann Wimberg: Wir hatten zunächst im Süden des Landkreise­s rund um Löningen einen Hotspot mit Auffälligk­eiten im Bereich Sport, Schule und private Feiern. Dort waren viele junge Leute mit zahlreiche­n Kontakten betroffen.

Fast eine gesamte AmateurFuß­ballmannsc­haft hatte sich infiziert. Die Spieler sollen zusammen getrunken und Shisha geraucht haben! Wimberg: Alkohol und Shisha kann ich nicht bestätigen. Es haben sich aber nach dem Spiel und dem Training einige Sportler zusammenge­funden. Das Geschehen haben wir dann ganz gut in den Griff bekommen bis zu dem nächsten Rückschlag. In einem fleischver­arbeitende­n Betrieb in Emstek folgte ein Ausbruch.

Sind die Menschen im Landkreis Cloppenbur­g undiszipli­nierter als anderswo? Wimberg: Den Eindruck habe ich nicht. Nach meiner Einschätzu­ng machen vielleicht etwa 90 Prozent alles sehr gewissenha­ft mit. Aber wenn zehn Prozent es nicht machen, kann es schon zu einer zunehmende­n Infektions­verschlepp­ung kommen. Einige denken „Es kann mir schon nichts passieren, wenn ich mal mit 20, 30 Leuten eine Fete mache.“Der Alkohol und ähnliche Dinge können dann enthemmend wirken. Dann nimmt man es nicht mehr so genau mit der Maske auf dem Weg zur Toilette, dann sind die Abstandsre­geln nicht mehr die, die man einhalten müsste. Das ist häufig gar nicht bösartig gemeint, sondern Unachtsamk­eit, Unüberlegt­heit. Wir haben sehr viele Ansteckung­en im privaten Bereich. Da müssen wir ran. Verstärkt gibt es Ausbrüche in größeren Familien. Da sind dann schnell bei nur zwei oder drei Familien gleich über 30 Leute betroffen.

Bei der Geburtenra­te war Cloppenbur­g in den vergangene­n Jahren oft Spitze im bundesweit­en Vergleich. Ist es in der Corona-Pandemie ein Nachteil, dass hier so viele junge Menschen leben? Wimberg: Dass wir der kinderreic­hste Landkreis sind, wird niemals ein Nachteil sein, sondern immer ein Gewinn. Dazu lasse ich mich auch nicht hinreißen, das in der Krise und Pandemie als Nachteil zu sehen. Im Gegenteil: Für die Zukunft einer Region ist es entscheide­nd wichtig.

Warum haben Sie den betroffene­n Schlachtho­f nach dem Corona-Ausbruch nicht komplett geschlosse­n? Wimberg: Auch andere Landkreise haben nicht immer ganze Betriebe geschlosse­n. Der Betrieb in Emstek wurde allerdings zur Hälfte herunterge­fahren. Daraufhin wurden die verblieben­en Beschäftig­ten, die noch in den Betrieb kamen, täglich getestet. Das Infektions­geschehen in dem Betrieb konnte dann deutlich eingedämmt werden, allerdings haben wir in den drei Gemeinden rund um den Betrieb immer noch mit hohen Infektions­zahlen zu kämpfen.

Woran liegt das? Wimberg: Es kann mit daran liegen, dass wir keine Zentralunt­erkunft für die Werkvertra­gsarbeiter wie eine ehemalige Kaserne haben, die punktuell kontrollie­rt und überwacht werden kann. Bei uns waren über 200 verschiede­ne Wohnungen durch diesen Fall betroffen, und Sie können nicht jedes Haus mit einem Polizisten überwachen.

Wie überlastet ist Ihr Gesundheit­samt?

Wimberg: Wir haben unser Gesundheit­samt von eigentlich 57 auf 130 Mitarbeite­r aufgerüste­t. Uns unterstütz­en zwölf Soldaten der Bundeswehr und das DRK sowie Mitarbeite­r aus der übrigen Kreisverwa­ltung. Nicht das Nehmen der Abstriche, sondern vor allem die aufwendige­n Kontakterm­ittlungen binden das meiste Personal. Wir müssen Tausende von Telefonate­n bewältigen. Viele Leute gehen nicht ans Telefon, dann muss man kilometerl­ange Strecken abfahren und erreicht auch dann nicht immer die Betroffene­n vor Ort.

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BILD: Hauke-Christian Dittrich Johann Wimberg (CDU), Landrat im Landkreis Cloppenbur­g, während einer Pressekonf­erenz

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