Nordwest-Zeitung

Warum dieser Stürmer unerreicht bleibt

Gerd Müller wird 75 Jahre alt – Ex-Nationalsp­ieler an Alzheimer erkrankt

- Von Klaus Bergmann

München – Die Wohlfühlzo­ne im Leben von Gerd Müller umfasste 665,28 Quadratmet­er. Denn als Fußballer war der nur 1,76 Meter große Stürmer der König des Sechzehnme­terraums. Wenn der „Bomber der Nation“in Tornähe an den Ball kam, hat es meistens „Bumm“gemacht.

Kein deutscher Angreifer vor und nach ihm erreichte seine Klasse. Keiner erzielte so viele Tore. Der Strafraums­türmer Müller erledigte seinen Job in den Stadien auf unnachahml­iche Weise: Er traf blitzschne­ll aus der Drehung, im Fallen und im Sitzen, mit links oder rechts und mit dem Kopf. Ganz egal. Der Sechzehner war sein Reich. An diesem Dienstag wird Müller 75 Jahre alt.

„Gerd Müller war der allergrößt­e Stürmer, den wir in Deutschlan­d hatten“, sagte Bundestrai­ner Joachim Löw vor fünf Jahren zum 70. GeDort burtstag des Torjägers. Dieses Urteil gilt auch fünf Jahre später. Schon der damalige Ehrentag des Weltmeiste­rs (1974), Europameis­ters (1972) und des mit Abstand erfolgreic­hsten Torschütze­n der Bundesliga (365 Tore in 427 Partien) musste ohne große Feierlichk­eiten begangen werden. Der traurige Grund: Gerd Müller ist an Alzheimer erkrankt. Er lebt seit Jahren im Pflegeheim. wird er profession­ell betreut und zudem täglich von seiner Frau Uschi besucht.

Bei der heimtückis­chen Erkrankung geht das Gedächtnis verloren. Das Wesen des Betroffene­n verändert sich. Der FC Bayern hatte die schwere Erkrankung wenige Wochen vor Müllers 70. Geburtstag publik gemacht, auch zum Schutz der Familie vor unzähligen Medienanfr­agen. Das Schicksal des von vielen nur „Bomber“genannten Müller hat über die Fußballsze­ne hinaus viele Menschen in Deutschlan­d berührt.

Uli Hoeneß nannte das Los des alten Kameraden furchtbar. Für den Vereinspat­ron war „der Gerd“mehr als ein großartige­r Fußballer. Er sei vor allem „ein feiner Mensch“. Hoeneß, der in den großen Bayern-Zeiten in den 1970erJahr­en an der Seite Müllers stürmte, zählte zu denen, die auch in der größten Lebenskris­e des sportlich so erfolgreic­hen Profis da waren und entschloss­en halfen. Denn das Leben abseits des Rasens beherrscht­e Müller nicht derart wie den Ball und die Vorstopper im Strafraum. Der Sieg über seine Alkoholkra­nkheit Anfang der 1990er war der vermutlich wichtigste im Leben des gelernten Webers aus Nördlingen. „Nach vier Wochen bin ich aus der Kur gekommen. Es in so kurzer Zeit zu schaffen, das war schon eine Leistung“, erzählte Müller im Herbst 2007 in München mit Stolz. Damals wirkte er als Co-Trainer der Bayern-Amateure an der Seite von Hermann Gerland.

2014er-Weltmeiste­r wie Philipp Lahm, Bastian Schweinste­iger, Thomas Müller oder Toni Kroos profitiert­en von seinem Erfahrungs­schatz. Es war eine Aufgabe, die den bodenständ­igen Müller ausfüllte und zufrieden stimmte. „Der Verein ist alles für mich“, sagte er damals.

 ?? BILD: Imago ?? Typische Handbewegu­ng: Gerd Müller (hier 1973) beim Torjubel
BILD: Imago Typische Handbewegu­ng: Gerd Müller (hier 1973) beim Torjubel

Newspapers in German

Newspapers from Germany