Werden länger mit den Einschränkungen leben
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Lockdown und die Beschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie verteidigt. Ist das die richtige Strategie?
Gaß: Die Strategie ist absolut richtig. Die Krankenhäuser stehen voll hinter diesen Maßnahmen, weil wir die Dynamik der Neuinfektionen sehen. In zwei bis drei Wochen kommen die schwer Erkrankten in den Kliniken und den Intensivstationen an, die heute als Neuinfektionen gemeldet werden. Wir müssen den Anstieg dieser Neuinfektionen brechen, um wieder in eine Lage zu kommen, die es den Gesundheitsämtern wieder ermöglicht, die Entwicklung zu kontrollieren und die Infektionsketten zu verfolgen.
Werden die Infektionszahlen nach vier Wochen Lockdown wieder deutlich zurückgehen? Gaß: Da bin ich pessimistisch. Ich fürchte, es wird länger dauern. Wir werden länger als vier Wochen mit diesen Einschränkungen leben müssen.
Es gibt einen deutlichen Anstieg und einen neuen Höchststand bei den Corona-Patienten auf den Intensivstationen. Wie ernst ist diese Entwicklung?
Gaß: Die Zahl der Intensivpatienten ist zuletzt sprunghaft angestiegen. Wir werden den bisherigen Höchststand von
2800 noch in dieser Woche erreichen. Noch in November werden wir die Verdopplung dieser Zahl erleben. Wir befinden uns in einer dramatischen Situation. Wir haben derzeit 7000 freie Betten, die sofort auf den Intensivstationen verfügbar sind. Außerdem gibt es eine Notfallreserve von etwa über 10000 Betten, die man durch den Einsatz von anderem Personal nutzen kann. Wenn wir unsere Intensivkapazitäten voll auslasten müssen, weil die Not so groß ist, werden wir die Regelversorgung für Nicht-Corona-Patienten wieder deutlich zurückführen müssen, wie wir es im Frühjahr bereits gemacht haben. Es fehlt auch der finanzielle Rettungsschirm, der ausgelaufen ist. Es muss dringend finanzielle Sicherheit für die Krankenhäuser geben, damit sie auch Personal umschichten und den Regelbetrieb zurückführen dürfen.