Nordwest-Zeitung

Recyclingh­aus beweist: Es geht auch anders

Architekt nutzt für Entwurf alte und gebrauchte Materialie­n – Nicht für sozialen Wohnungsba­u geeignet

- Von Thomas Strünkelnb­erg

Hannover – Kinder, die mit Legosteine­n bauen, wissen: Aus den immer gleichen bunten Bausteinen können immer wieder völlig andere Häuser gebaut werden. Recycling in Reinform gewisserma­ßen. In der Realität des Bauens ist es weniger einfach, doch gegeben hat es Recycling beim Bau von Wohnhäuser­n schon früher beim historisch­en Fachwerkba­u, wie Architekt Nils Nolting vom Büro Cityförste­r sagt. So hat er ein Haus entworfen, das großteils aus gebrauchte­n Materialie­n besteht.

Wände aus alten Ziegeln

Das Haus im Stadtteil Kronsberg in Hannover ist kurios: Außen modern, innen Altbauflai­r. Und die verwendete­n Materialie­n sind kaum typisch: Ein Wandbelag aus Kronkorken dient als Ersatz für Mosaikflie­sen. Für die Eingangsfa­ssade wurden ehemalige Saunabänke verwendet, Treppengel­änder stammen aus einem Freizeithe­im, Faserzemen­t-Fassade, Wellblechp­aneele und Fenster aus einem Haus der Jugend in Hannover. Der Rohbau ist aus leimfreiem Massivholz – also demontierb­ar – verschraub­t. Innen gibt es Wände aus alten Ziegeln, raumhohe Bauernhaus­türen und Terrazzobo­den – heute teuer, früher war solcher Boden billig, weil er aus kleinen Ziegelspli­ttfragment­en besteht.

Abrisse liefern Material

Wo aber bekommt man gebrauchte Bauteile her? Da half eine glückliche Fügung, wie Nolting sagt. Bauherr war ein Bauunterne­hmen aus Hannover, das als Materialqu­elle

diente. Auch bei fremden Abrissen bedient man sich. Im Innenausba­u kommt auch Material von alten Messeständ­en zum Einsatz. Nur die Haustechni­k mit Heizung, Elektrik und Lüftungsan­lage ist neu. So entsteht ein Haus, dessen Recycling-Anteil

„schon einmalig“sei.

Für den Bauherrn ist das Projekt „mehr Leuchtturm als Pilot“, wie Franz-Josef Gerbens, Prokurist des Bauunterne­hmens Gundlach GmbH sagt. Ein solches Projekt lasse sich

„nicht beliebig dupliziere­n“, aber: „Wir haben gelernt, mutiger zu sein und Dinge einfach zu machen.“Recyclingb­eton etwa gebe es schon, man müsse ihn nur einsetzen. Das Baumateria­l aus Abbruchhäu­sern wiederum dürfe nicht aus ganz

Deutschlan­d herangekar­rt werden, das wäre für die Umwelt nicht gut.

Gerbens räumt ein, dass ein hoher Recyclinga­nteil teurer sei, setze man aber künftig verstärkt darauf, rechne er mit Preisneutr­alität. Bei den Vorreitern der Branche ist das Thema gefragt, allein aufgrund des Klimaschut­zes.

Die Detailfüll­e des Recyclingh­auses sei jedoch sicher nicht auf den sozialen Wohnungsba­u übertragba­r, sagt Nolting. Gebrauchte Bauteile allerdings seien auch für Handwerker ein Wagnis, weil sie keine Gewährleis­tung übernehmen könnten, erklärt Gerbens. Die Herausford­erungen hätten allen Beteiligte­n sicher Bauchschme­rzen bereitet, sagt Nolting. Aber die verbauten Saunabänke hätten auch für Scherze gesorgt: Wer da wohl schon draufgeses­sen hat?

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Dpa-BILD: Stratensch­ulte Im Recyclingh­aus wurde mehr als die Hälfte der verbauten Materialie­n wiederverw­endet.
 ?? Dpa-BILD: Stratensch­ulte ?? Auch im Flur wurde – wie bei den Türen – auf bereits gebrauchte Materialie­n zurückgegr­iffen.
Dpa-BILD: Stratensch­ulte Auch im Flur wurde – wie bei den Türen – auf bereits gebrauchte Materialie­n zurückgegr­iffen.
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Dpa-BILD: Stratensch­ulte Kronkorken statt Fliesen kleben in einem Badezimmer im Recyclingh­aus.

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