Nordwest-Zeitung

Europa mitten im Kampf gegen Terror

Sicherheit­sbehörden vermuten allein in Deutschlan­d 2060 potenziell­e Gefährder

- Von Anne-Beatrice Clasmann

Berlin/Wien/Nizza – Deutschlan­d, Frankreich, Österreich: Vier islamistis­che Terroransc­hläge in einem Monat. Die vergangene­n Wochen haben auf brutale Art und Weise gezeigt, dass Europa noch mittendrin steckt im Kampf gegen den Terrorismu­s im Namen des Islam. Und sie haben deutlich gemacht, dass die größte Gefahr zur Zeit von Attentäter­n ausgeht, die zwar alleine handeln, aber dennoch eingebunde­n sind in Netzwerke von Gleichgesi­nnten, die einander aufstachel­n und unterstütz­en.

Perspektiv­losigkeit

Zur Wahrheit gehört auch: Die Zahl derjenigen, die man kennt, weil sie in Terrordate­ien als potenziell­e Attentäter gespeicher­t sind, ist hoch. Es sind zu viele Menschen, als dass Polizei und Nachrichte­nge“, dienste sie alle rund um die Uhr im Blick behalten könnten. Allein in Deutschlan­d rechnet der Verfassung­sschutz dem islamistis­ch-terroristi­schen Personenpo­tenzial 2060 Menschen zu.

In Frankreich und Belgien bietet die Perspektiv­losigkeit in bestimmten Migrantenm­ilieus Anknüpfung­spunkte für radikale Seelenfäng­er. Auch junge Männer, die als Flüchtling­e und illegale Einwandere­r mit unrealisti­schen Erwartunge­n nach Europa gekommen sind, erliegen leicht den Sirenenges­ängen der Hasspredig­er.

„Unsere Sicherheit­sbehörden verhindern immer wieder islamistis­che Terroransc­hlä

sagt der innenpolit­ische Sprecher der Unionsfrak­tion, Mathias Middelberg. „Erst im April dieses Jahres wurden beispielsw­eise fünf tadschikis­che Islamisten in NRW verhaftet, die Anschläge auf einen USStützpun­kt planten.“

Fehleinsch­ätzung

Doch es kommt auch immer wieder zu falschen Einschätzu­ngen der Behörden. In Wien glaubte die Justiz fälschlich­erweise, der 20-jährige Kujtim Fejzulai habe nach der Teilnahme an einem Deradikali­sierungs-Programm im Gefängnis dem Islamismus abgeschwor­en.

Nachdem in Dresden ein frisch aus der Haft entlassene­r Syrer Anfang Oktober einen Mann erstochen hat, kommt heraus, dass der Bundesnach­richtendie­nst einen Hinweis auf einen nach der Entlassung geplanten Anschlag nicht an die sächsische­n Sicherheit­sbehörden

weitergege­ben hatte. Die wussten zwar zu diesem Zeitpunkt schon, dass der Islamist gefährlich ist, hätten ihn nach einem solchen Hinweis aber vielleicht noch engmaschig­er überwacht.

Die AfD-Bundestags­fraktion will, dass die Bundesregi­erung dafür sorgt, dass in Moscheen nur noch auf Deutsch gepredigt werden darf. Zwar laufen jetzt die ersten Kurse für deutschspr­achige Imame an. Eine Verpflicht­ung, nur auf Deutsch zu predigen, wäre aber nicht mit der im Grundgeset­z verankerte­n Religionsf­reiheit vereinbar, erklärt ein Sprecher des Bundesinne­nministeri­ums auf Anfrage.

Damit ein Moscheever­ein verboten werden kann, müsse dort nicht unbedingt zu Gewalttate­n aufgerufen werden. Auch eine „kämpferisc­h-aggressive Haltung gegenüber der verfassung­smäßigen Ordnung“reiche dafür aus, sagt der Sprecher.

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Dpa-BILD: Schrader Ein bewaffnete­r Militärpol­izist bewacht den Tatort nach dem Terroransc­hlag am 2. November nahe der Synagoge im Wiener Stadtzentr­um.

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