Corona in 84 Heimen im Land
45 Prozent aller Todesfälle unter Pflegebedürftigen
Hannover – Die Zahl der Corona-Ausbrüche in niedersächsischen Alten- und Pflegeheimen nimmt weiter zu. In der vergangenen Woche seien insgesamt 84 Einrichtungen mit aktivem Infektionsgeschehen gemeldet worden, teilte das Gesundheitsministerium in Hannover mit. Aktuell gebe es 372 an Covid-19 erkrankte Bewohner und 214 erkrankte Mitarbeiter (Stand Mittwochnachmittag). Zwischen dem 28. Oktober und 3. November starben elf Bewohner in vier betroffenen Seniorenheimen.
Zuletzt waren Stadt und Kreis Hildesheim besonders betroffen. In Sarstedt wurden mehr als 30 Bewohner und über ein Dutzend Beschäftigte eines Heimes positiv auf SarsCoV-2 getestet. In einer Hildesheimer Einrichtung gab es weit über 50 infizierte Bewohner und Mitarbeiter.
Bereits seit September wurden mehrfach größere Corona-Ausbrüche in niedersächsischen Heimen bekannt, etwa in Neu-Wulmstorf (Landkreis Harburg), Vechta und Bad Essen (Landkreis Osnabrück).
Kostenlose Schnelltests sollen eigentlich in der zweiten
Welle der Corona-Pandemie Ausbrüche in Heimen und Kliniken verhindern. Eine entsprechende neue Testverordnung des Bundesgesundheitsministeriums trat am 15. Oktober in Kraft.
Pflegebedürftige Senioren trifft das Virus besonders hart. Laut der Erhebung des Landes starben zwischen dem 4. April und dem 3. November dieses Jahres 343 Bewohner von Altenund Pflegeeinrichtungen, die sich mit Sars-CoV-2 infiziert hatten. Das waren knapp 45 Prozent der Corona-Todesfälle in Niedersachsen.
Berlin – Es ist der Rekordwert, vor dem die Kanzlerin gewarnt hatte. Allerdings rechnete Angela Merkel (CDU) erst für Weihnachten damit und nicht bereits Anfang November. Laut Robert Koch-Institut (RKI) war die Zahl der gemeldeten Coronavirus-Neuinfektionen mit 19 990 Neuinfektionen binnen 24 Stunden (Stand Donnerstagmorgen) so hoch wie noch nie. Die positive Nachricht: Der Reproduktions-Faktor bleibt weiter unter 1. Das bedeutet, dass ein Infizierter im Durchschnitt weniger als eine Person ansteckt.
Seit Wochen warnen Politiker und Experten vor einem Kontrollverlust. Der seit Montag geltende bundesweite Lockdown mit zahlreichen Beschränkungen soll dazu führen, die Corona-Infektionen wieder einzudämmen und sie möglichst unter den Wert 50 pro 100000 Menschen innerhalb von sieben Tagen zu bringen.
■ Proben-Stau
Gesundheitsämter sind überlastet, können die Infektionsketten kaum noch nachverfolgen, in den Kliniken wird es langsam eng und die Zahl der Intensivpatienten steigt. Jetzt schlagen auch die Labore Alarm, melden Engpässe und kommen mit dem Testen nicht mehr zeitnah hinterher.
Wegen der steigenden Corona-Zahlen gibt es einen immer größeren Proben-Stau in den Laboren. So haben in der vergangenen Woche 69 Labore gemeldet, dass sie 98 931 Proben noch nicht bearbeitet hätten. Zwei Wochen vorher waren es noch 52 Labore und nur 20799 Proben, die noch nicht ausgewertet waren. In den vergangenen zwei Mona
ten sei die Zahl der Tests hierzulande um mehr als 400 000 pro Woche gestiegen, heißt es. Laut RKI seien in den 191 Laboren 1,6 Millionen solcher Proben pro Woche gemeldet worden. Die Testkapazität ist laut dem Verband der Akkreditierten Labore in der Medizin inzwischen voll ausgereizt.
■ Ausrüstungsmangel
Eine weitere Ursache für die Engpässe ist offenbar auch ein Mangel an der notwendigen Ausrüstung. So fehlten Reagenzien, Pipetten und anderes für die Tests notwendiges Material. Getestete müssen inzwischen auch länger auf ihre Ergebnisse warten. Das RKI berichtet, dass sich die durchschnittlichen Bearbeitungszeiten verlängerten. Es sei „dringend geboten“, die Tests und ihre Auswertung zu priorisieren.
■ Vorschläge und Kritik
Der Infektiologe und FDP-Gesundheitsexperte Professor Dr. Andrew Ullmann fordert jetzt, die Kapazitäten auszubauen. „Wir sollten auch Veterinärlabore für die Tests nutzen“, erklärte er im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion.
Ullmann spricht sich auch dafür aus, das sogenannte Proben-Pooling durchzuführen. Dabei werden Proben in einem „Mini-Pool“zusammengeführt und mithilfe eines Genom-Nachweises untersucht. Bei einem negativen Ergebnis haben alle enthaltenen Proben ein zuverlässig
negatives Ergebnis. Bei einem positiven Befund werden Einzeltests der ursprünglichen Probe gemacht.
„Gesundheitsminister Spahn hätte früher reagieren müssen. Man hätte schon im Frühsommer die Systeme widerstandsfähig machen müssen“, kritisiert der Mediziner. „Es fehlt die Langzeitstrategie“, sagte Ullmann: „Wenn Getestete ihre Ergebnisse erst eine Woche später bekommen, sind die Tests sinnlos. Dann hätte man auch eine Münze werfen können.“
Auch die Krankenhäuser verzeichnen einen deutlichen Anstieg an Corona-Patienten. Zuletzt lag die Zahl auf Intensivstationen bei 2587. Bereits am Wochenende soll der bisherige Höchstwert von 2933 überschritten werden, so die Deutsche Krankenhausgesellschaft. Bis Ende des Monats rechnet man mit bis zu 6000.