Lobbyist ohne Lauf
Das Thema Verkehrswende steht ganz oben auf seiner Agenda: Belit Onay, grüner Oberbürgermeister von Hannover und seit gut einem Jahr im Amt, macht gern Lobbyarbeit fürs Rad. Zwölf Schnelltrassen für Radfahrer sollen von der Peripherie in die Innenstadt ausgewiesen werden. Autos sollen aus der City verbannt werden. „Lebensqualität“lautet das Schlagwort.
Doch Lobbyist Onay hat (noch) keinen Lauf: Mit der Note „mangelhaft“werden die Radwege in Hannover bewertet – überraschenderweise vom Autoclub ADAC. Tester radelten zwölf Strecken in der Landeshauptstadt ab. Fazit: 36 Prozent der Radwege sind schmaler als die vorgegebene Breite von 1,60 Meter. Eilig reagierte Umweltdezernentin Sabine Tegtmeyer-Dette (Grüne) aufs mediale Bashing. Sie erklärte, dass in den letzten Jahren fünf Millionen Euro ins Velo-Netz investiert wurden.
Aber es kommt noch dicker: Für den Bau des neuen Südschnellwegs vergaßen die Planer glatt den Radweg. Niemand aus dem hannoverschen Rathaus habe den beantragt, heißt es vonseiten der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr. Dabei muss der Bund die Strecke zwischen Döhren und Hemmingen für 360 Millionen Euro bezahlen. Der Schnellweg wird statt etwa 15 Meter rund 25 Meter breit – fast wie eine Autobahn.
Experten schütteln den Kopf über das Planungsdesaster. „In der Radverkehrsplanung bleiben wir auf dem Stand von 1954“, sagt Ralf Strobach von der Bürgerinitiative Umweltschutz (BiU) im Zeitungsinterview. Und Annette Teuber vom Fahrradclub ADFC weist darauf hin, dass es zwar Radverbindungen durch die Leine-Marsch gebe. Die seien aber nicht hochwasserfest.
Und das Bundesverkehrsministerium zeigt kein Interesse, zusätzlich sieben Millionen Euro für den neuen Radweg in die Hand zu nehmen. Die Trasse gebe es heute ja auch nicht, so das schlichte Argument. Zudem würde das die Planungen um rund zwei Jahre zurückwerfen. Die Behörden stehen ohnehin unter Zeitdruck: Die Lebensdauer einer maroden Brücke über die Hildesheimer Straße ist bis Ende 2023 datiert. Das Wort „Resignation“macht bei den Radfahrclubs die Runde.
Gleichwohl machen sich die Verantwortlichen im hannoverschen Rathaus weiterhin Gedanken darüber, wie sie am Image als Radfahrstadt feilen können. An diesem Freitag wird der auf zwei Kilometern sanierte Geh- und Radweg am „Wolfgang-Besemer-Ufer“entlang der Ihme offiziell eröffnet. Schöne Bilder aus der Velo-City müssen eben auch in der Corona-Zeit drin sein.
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