Nordwest-Zeitung

Lobbyist ohne Lauf

- Stefan Idel über die Probleme der Fahrradsta­dt Hannover

Das Thema Verkehrswe­nde steht ganz oben auf seiner Agenda: Belit Onay, grüner Oberbürger­meister von Hannover und seit gut einem Jahr im Amt, macht gern Lobbyarbei­t fürs Rad. Zwölf Schnelltra­ssen für Radfahrer sollen von der Peripherie in die Innenstadt ausgewiese­n werden. Autos sollen aus der City verbannt werden. „Lebensqual­ität“lautet das Schlagwort.

Doch Lobbyist Onay hat (noch) keinen Lauf: Mit der Note „mangelhaft“werden die Radwege in Hannover bewertet – überrasche­nderweise vom Autoclub ADAC. Tester radelten zwölf Strecken in der Landeshaup­tstadt ab. Fazit: 36 Prozent der Radwege sind schmaler als die vorgegeben­e Breite von 1,60 Meter. Eilig reagierte Umweltdeze­rnentin Sabine Tegtmeyer-Dette (Grüne) aufs mediale Bashing. Sie erklärte, dass in den letzten Jahren fünf Millionen Euro ins Velo-Netz investiert wurden.

Aber es kommt noch dicker: Für den Bau des neuen Südschnell­wegs vergaßen die Planer glatt den Radweg. Niemand aus dem hannoversc­hen Rathaus habe den beantragt, heißt es vonseiten der Landesbehö­rde für Straßenbau und Verkehr. Dabei muss der Bund die Strecke zwischen Döhren und Hemmingen für 360 Millionen Euro bezahlen. Der Schnellweg wird statt etwa 15 Meter rund 25 Meter breit – fast wie eine Autobahn.

Experten schütteln den Kopf über das Planungsde­saster. „In der Radverkehr­splanung bleiben wir auf dem Stand von 1954“, sagt Ralf Strobach von der Bürgerinit­iative Umweltschu­tz (BiU) im Zeitungsin­terview. Und Annette Teuber vom Fahrradclu­b ADFC weist darauf hin, dass es zwar Radverbind­ungen durch die Leine-Marsch gebe. Die seien aber nicht hochwasser­fest.

Und das Bundesverk­ehrsminist­erium zeigt kein Interesse, zusätzlich sieben Millionen Euro für den neuen Radweg in die Hand zu nehmen. Die Trasse gebe es heute ja auch nicht, so das schlichte Argument. Zudem würde das die Planungen um rund zwei Jahre zurückwerf­en. Die Behörden stehen ohnehin unter Zeitdruck: Die Lebensdaue­r einer maroden Brücke über die Hildesheim­er Straße ist bis Ende 2023 datiert. Das Wort „Resignatio­n“macht bei den Radfahrclu­bs die Runde.

Gleichwohl machen sich die Verantwort­lichen im hannoversc­hen Rathaus weiterhin Gedanken darüber, wie sie am Image als Radfahrsta­dt feilen können. An diesem Freitag wird der auf zwei Kilometern sanierte Geh- und Radweg am „Wolfgang-Besemer-Ufer“entlang der Ihme offiziell eröffnet. Schöne Bilder aus der Velo-City müssen eben auch in der Corona-Zeit drin sein.

@ Den Autor erreichen Sie unter Idel@infoautor.de

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