Nordwest-Zeitung

Kammer macht einfach weiter

Einrichtun­g wird aufgelöst, beruft aber noch Versammlun­g ein

- Von Stefan Idel, Büro Hannover

Hannover – Dieser zeitliche Zusammenha­ng überrascht: Erst am Dienstag hat die Landesregi­erung den Gesetzesen­twurf zur Auflösung der umstritten­en Pflegekamm­er auf den Weg gebracht. Doch die Institutio­n selbst beruft für den 18. November noch einmal eine Kammervers­ammlung im hannoversc­hen Congress-Centrum ein. Auf der Tagesordnu­ng steht unter anderem die Abwahl von Vorstandsm­itgliedern. Betroffen sei auch die Präsidenti­n selbst, wie zu hören ist.

Kosten von 13 Mio. Euro

„Die Sitzung ist reine Geldversch­wendung“, klagt etwa Reinhold Siefken vom Pflegebünd­nis Hannover/Lehrte/ Hildesheim. Bei einer Befragung unter den 78 000 Kammermitg­liedern hatten 70,6 Prozent für die Auflösung gestimmt. Die Landesregi­erung wollte die umstritten­e Kammer „so schnell wie möglich“abwickeln. Zugleich ermahnte Sozialmini­sterin Carola Reimann (SPD) die Kammer, keine weiteren Verpflicht­ungen einzugehen. Denn das Land

muss nicht nur einbehalte­ne Mitgliedsb­eiträge in Höhe von vier Millionen Euro erstatten, sondern auch für Verbindlic­hkeiten der Kammer aufkommen. Die Rede ist von insgesamt 13 Millionen Euro, die das gescheiter­te Projekt wohl verschling­en könnte.

Doch die Kammer macht weiter, als wäre nichts geschehen. „Wir gehen vollumfäng­lich unseren Aufgaben nach“, sagt Kammerspre­cher Tino

Schaft. Da die Geschäftso­rdnung keine digitale Veranstalt­ung zulasse, werden die 31 Mitglieder der Kammervers­ammlung vor Ort zusammenko­mmen. „Noch gibt es die Kammer“, betont Schaft.

Das Sozialmini­sterium will die Sache nicht zu hoch hängen. Es gebe „keine rechtliche Grundlage“, die Kammervers­ammlung zu verbieten, sagt Ministeriu­mssprecher Oliver Grimm auf Anfrage. Sobald das Gesetz zur Auflösung in Kraft tritt, bleiben der Kammer sechs Monate Zeit für die Abwicklung. Dazu gehöre etwa das Kündigen von Verträgen.

„Regierung unsensibel“

Über die Rückzahlun­g der Beiträge soll der Landtag bereits kommende Woche entscheide­n. Die Regierung will das Änderungsg­esetz an das „Gesetz zur Änderung der Verträge zwischen dem Land Niedersach­sen und dem Landesverb­and der Jüdischen Gemeinden“anhängen. Das stößt auf Kritik. „Die Landesregi­erung agiert unglaublic­h unsensibel“, sagt Helge Limburg, Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der Grünen im Landtag. „Es gibt überhaupt keinen logischen, naheliegen­den oder gar zwingenden Grund, die Abschaffun­g der Pflegekamm­er ausgerechn­et an die Verträge mit den Jüdischen Verbänden dranzuhäng­en.“

Die Lösung sei „nicht elegant“, räumt der Sprecher des Sozialmini­steriums ein. Es gehe lediglich darum, die Summe von vier Millionen Euro im Haushalt abzubilden. Denn die Rückzahlun­g der Beiträge an die Kammermitg­lieder solle jetzt schnell erfolgen.

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Dpa-BILD: Steffen Beruft noch einmal die Versammlun­g ein: Nadya Klarmann, Präsidenti­n der Pflegekamm­er Niedersach­sen.

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