Nordwest-Zeitung

Ein starkes Europa als Antwort auf die US-Wahl

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Zum Zeitpunkt an dem dieser Artikel verfasst wird, ist noch nicht klar, wer der neue US-Präsident sein wird. Wahrschein­lich wird es auch noch nicht klar sein, wenn dieser Artikel erscheint. Biden spricht in diesen Minuten von Zuversicht und wirbt dafür, alle Stimmen zu zählen. Trump derweil wird von Twitter wegen Falschauss­agen markiert, erklärt sich vorzeitig zum Sieger und strengt gleichzeit­ig Gerichtsve­rfahren und Neuauszähl­ungen an. Präsidial ist das nicht. Und gerade die Haltung, das grundsätzl­iche Verhalten eines US-Präsidente­n auch auf der Weltbühne, wird sich mit einem möglichen Präsidente­n Biden deutlich verbessern. Doch Zurücklehn­en sollte sich die EU trotzdem nicht.

Donald Trumps Amtszeit war geprägt durch den Rückzug aus der internatio­nalen Politik. Er setzte Strafzölle ein, stieg aus dem Pariser Klimaabkom­men aus und zog US-Soldaten aus dem Ausland ab – oft mutete dies überstürzt an. Der Grundsatz war „America First“(Amerika zuerst). Bei einer Wiederwahl Trumps würde sich daran nichts ändern. Europas schwierige­s Verhältnis zu den USA würde sich erhärten. Der Zwang für Europa, sich – distanzier­t von den USA – stark auf dem internatio­nalen Parkett zu präsentier­en, wäre so dringend wie nie. Außer am Ton würde sich außenpolit­isch bei einer Wahl Bidens wenig ändern.

Falls Biden gewinnt, wird er dies vor allem weißen Männern im Rust-Belt zu verdanken haben, die ihm Michigan, Wisconsin und Minnesota sicherten. Darauf deuteten Nachwahlum­fragen der New York Times hin. Um diese Wähler nicht zu verärgern, wird er weiter mit einer restriktiv­en Handelspol­itik arbeiten. Zwar ist es wahrschein­lich, dass die USA unter Biden wieder dem Pariser Abkommen beitreten. Aber ohne eine Mehrheit im Senat, die als unwahrsche­inlich gilt, werden die USA auch weiterhin kein Vorreiter im Kampf gegen den Klimawande­l sein.

Bündnispol­itisch ist noch nicht abzusehen, welche Akzente ein Präsident Biden setzen würde, so zum Beispiel ob er wieder mehr Truppen im Ausland stationier­en würde. Klar ist aber, dass schon unter der Obama-Administra­tion mit Biden als Vizepräsid­enten immer wieder Kritik an den Beitragsza­hlungen der Nato geübt wurde. Der Druck, den Präsident Trump die vergangene­n Jahre in dieser Thematik aufgebaut hat, wird wohl kaum abnehmen.

Auch der Vorsitzend­e der

Münchner Sicherheit­skonferenz warnte am Mittwochab­end: „Die Rückkehr zu einem vermeintli­chen transatlan­tischen Paradies wird es nicht geben.“Die Präsidents­chaft Trumps müsse man, wenn sie denn zu Ende gehe, als Weckruf für die EU sehen.

Die EU muss verstehen, dass sie sich selbst um ihre Sicherheit sorgen, europäisch­e Interessen deutlich vertreten

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Beiträge und Podcasts unter www.NWZonline.de/freitag-fuermeinun­g und sich endlich als verlässlic­her und vertrauens­würdiger Partner in der Welt zeigen muss. Die Demokratie sollte ein Vorbild für andere Staaten bleiben, hier kann und muss die EU Botschafte­r sein. Damit das gelingt, braucht es von den EU-Mitgliedst­aaten und der europäisch­en Kommission einen internatio­nalen Gestaltung­swillen. Denn wenn sich die EU jetzt nicht in Stellung bringt, werden die Bedeutung und der Einfluss Europas rapide abnehmen.

Für Deutschlan­d und die EU wird daher nicht von größter Relevanz sein, wer die USWahlen gewinnt. Diese Wahl muss ein wiederholt­es Zeichen sein, dass wir ein starkes und einiges Europa brauchen!

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