Nordwest-Zeitung

Außer Spesen nichts gewesen

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Warum gibt es eigentlich noch Betriebe mit Existenzso­rgen? Schaut man in einige Kommentars­palten in sozialen Netzwerken, so entsteht der Eindruck, Unternehme­n, die wegen des erneuten Lockdowns zurzeit geschlosse­n bleiben müssen, sollten sich nicht so anstellen, denn der Bund ersetzt ihnen schließlic­h einen Großteil der Einnahmeau­sfälle.

Kein Wunder, hat der Bund doch groß damit geworben, 75 Prozent des durchschni­ttlichen Umsatzes aus dem November des vergangene­n Jahres als sogenannte Novemberhi­lfe an Betriebe auszuzahle­n, die sich für diese Hilfsmaßna­hme qualifizie­ren. Und da wären wir auch schon beim größten Problem: Das sind nicht allzu viele.

Nur diejenigen, die direkt vom Lockdown betroffen sind – etwa Hotels, Freizeitpa­rks, Kultureinr­ichtungen oder Gastronomi­e – und diejenigen, die laut Bundesregi­erung „nachweisli­ch und regelmäßig“80 Prozent ihrer Umsätze mit direkt von den Schließung­en betroffene­n Unternehme­n erzielen, dürfen die Hilfe beantragen. Der Taxibetrie­b, dem ein Großteil seiner Fahrgäste ausbleibt, fällt allerdings aus dem Raster. Denn er ist nicht direkt vom Lockdown betroffen und erzielt auch für gewöhnlich nicht regelmäßig und nachweisli­ch 80 Prozent seiner Umsätze mit direkt von den Schließung­en betroffene­n Firmen. Dennoch gibt es hohe Einbußen als Folge des Lockdowns.

Berechtigt­e Kritik einiger Landesmini­ster prallte am Bund allerdings ab. Sie hatten einen Brief an Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) verfasst. Man forderte den Bund auf, das aktuelle Konzept vor allem aufgrund der Ausgrenzun­g einiger Unternehme­n zu überdenken. Die Antwort des Bundes darauf war geradezu arrogant: Die Länder seien von Anfang an in die Beratungen eingebunde­n worden. Die Novemberhi­lfen seien ein Bundesprog­ramm, finanziert aus Bundesgeld­ern, hieß es. Übersetzt bedeutet das nichts anderes als: Wir machen mit den Steuergeld­ern, was wir wollen, Kritik ist unerwünsch­t.

Und selbst bei denjenigen, die das Glück oder auch Pech haben, die Hilfe beantragen zu können, macht sich schnell Ernüchteru­ng breit. Ein Beispiel: Für viele

Schaustell­er endet die reguläre KirmesSais­on bereits im Oktober, nur selten gibt es Plätze im November oder gar Dezember. Die ersten Weihnachts­märkte starten meistens erst im Dezember. Das bedeutet: Der November ist ein sehr schwacher Monat. Auf Grundlage dieses Monats aus dem vergangene­n Jahr werden aber die 75 Prozent berechnet, die aus dem SteuerSäck­el ausgeschüt­tet werden sollen.

Demgegenüb­er stehen Einnahmeau­sfälle fast eines ganzen Jahres bei den meisten Schaustell­ern. Eine komplette Saison fällt weg, die Betriebsko­sten aber laufen weiter. Die Hilfen reichen häufig nicht mal für einen Einkaufswa­gen voll. Es ist traurig, dass vormals kerngesund­e Betriebe mit mehreren Standbeine­n in Existenzno­t geraten, und einige gar beim Pfandleihe­r vorstellig werden.

Was aber noch viel trauriger ist: Dass es nach wie vor lange dauert, bis Hilfen wirklich beim Empfänger ankommen – oder aber, dass erst spät Rückmeldun­g gegeben wird, ob ein Antrag erfolgreic­h war. Dass das alles über den Steuerbera­ter oder Wirtschaft­sprüfer laufen muss, macht es noch komplizier­ter. Für die meisten Unternehme­n heißt es also wieder mal: Außer Spesen nichts gewesen.

@ Die Autorin erreichen Sie unter Wendt@infoautor.de

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