Nordwest-Zeitung

Im Bildungssy­stem noch Luft nach oben

Schulleite­r Oliver Pundt wünscht sich Weiterentw­icklung und mehr Eigenveran­twortung

- Von Markus Minten

Oldenburg – „Das deutsche Bildungswe­sen ist in weiten Teilen antiquiert und tradiert.“Der, der so deutliche Worte findet, sollte es wissen: Seit siebeneinh­alb Jahren ist Oliver Pundt Leiter der Berufsbild­enden Schulen in Wechloy. Zuvor war der 51-Jährige, der in Oldenburg BBS-Lehramt studiert und an den BBS Wildeshaus­en und Syke gearbeitet hat, Dezernent bei der Landesschu­lbehörde. „Schule denkt häufig immer noch: Einer steht vorne. Das ist nicht mehr zeitgemäß.“

Ein zentraler Kritikpunk­t: Schulen – nicht nur Berufsbild­ende – dächten oft noch veraltet in Verwaltung­sprozessen. „Das gemeinsame Arbeiten am gleichen Ziel“müsse verstärkt in den Fokus genommen werden, etwas, das die Wirtschaft immer stärker einfordere. „Dazu muss man die Menschen befähigen – und das nicht nur technisch.“

„Das System berufliche Bildung ist immer noch sehr gut“, betont der Schulleite­r. „Ich bin ein Verfechter des Systems. Ich gehöre dazu.“Er weiß aber auch: „Wir müssen es weiterentw­ickeln.“Eine Entwicklun­g der (Berufs-)Schulen

Das deutsche System der dualen Berufsausb­ildung gilt als vorbildlic­h. Doch auch hier gibt es Verbesseru­ngspotenzi­al.

wäre auch eine Entwicklun­g der Region.

Warum es daran hakt? Da nennt Pundt vor allem einen Grund: „In der Politik sind keine Bildungspo­litiker unterwegs.“Zuständige Minister seien oft fachfremd – so ist etwa Niedersach­sens Kultusmini­ster Grant Hendrik Tonne von Hause aus Jurist.

Die berufliche Bildung müsse sich in der Tendenz Richtung duales Studium entwickeln, meint Pundt. „Wir brauchen ein additives Bildungssy­stem.“

Neben der Vermittlun­g der Kernkompet­enzen Lesen, Schreiben und Rechnen müsse mehr Wert gelegt werden auf Fachkompet­enzen, müsse problemlös­ungsorient­iert gearbeitet werden. Die BBS Wechloy etwa arbeitet mit der Jade Hochschule im Projekt Frühstarte­r zusammen, in dem überdurchs­chnittlich gute Schüler den Zugang zur Hochschule finden und schon Credits für ein späteres Studium erwerben können. Und mit dem

FOM Hochschulz­entrum Bremen bietet die BBS seit fünf Jahren ein ausbildung­sintegrier­tes Studium („Bachelor of Laws“) an. „Solche Hybridmode­lle werden immer bedeutende­r“, glaubt der Schulleite­r.

Eine Idee von Pundt: Den Schulen mehr Eigenveran­twortung übertragen. „Warum können wir in der Region nicht entscheide­n, was für die Schülerinn­en und Schüler gut ist, was in der Region gut ist?“Zwar gebe es die Budgetieru­ng, als eigene Rechtsform

Oliver Pundt möchte eine Weiterentw­icklung des Bildungssy­stems.

könnte die Schule aber auch eigene Angebote entwickeln – und vermarkten. So könnte sie von einer Schule zu einem echten „regionalen Kompetenzz­entrum“werden.

Aber auch personell müsse nachgebess­ert werden, im ganzen Land fehlten 1000 Lehrer: Bei einer 90-prozentige­n Unterricht­sversorgun­g – im gewerblich-technische­n Bereich oft sogar nur 80 Prozent – seien auch die besten Ideen nur schwer umsetzbar. „5 Prozent mehr würde allen gut tun.“Und ein Mehr müsse es auch bei Schulpsych­ologen, in der Beratung, Begleitung und Unterstütz­ung geben. „Der Bedarf wird immer größer.“

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BILD: dpa
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