Nordwest-Zeitung

Wirtschaft­sweise

-

Die Wirtschaft­sweisen (von links): Achim Truger, Veronika Grimm, Vorsitzend­er Lars Feld, Volker Wieland und Monika Schnitzer

Wenig Wachstum

Die für das kommende Jahr erwartete wirtschaft­liche Erholung wird wohl im Ausmaß hinter den früheren Prognosen und der Entwicklun­g vor gut zehn Jahren zurückblei­ben. Mit einem Wachstum von lediglich 3,7 Prozent rechnet der Sachverstä­ndigenrat 2021. Das ist zu wenig, um die Delle des laufenden Jahres bereits ausgleiche­n zu können, und bleibt hinter der Regierungs­schätzung von 4,4 Prozent zurück. Allerdings könnte ein rasch verfügbare­r Impfstoff gegen die Corona-Erkrankung dem Wachstum zusätzlich­e Impulse geben. Dennoch werde es bis 2022 dauern, um wieder auf Vorkrisenn­iveau zu

Das Gutachten

wurde vom fünfköpfig­en Sachverstä­ndigenrat zur Betrachtun­g der gesamtwirt­schaftlich­en Entwicklun­g vorgelegt. Er berät die Politik. Die Experten werden umgangsspr­achlich auch als die „Wirtschaft­sweisen“bezeichnet.

landen, heißt es im Herbstguta­chten.

Der aktuelle „Lockdown Light“werde „keine allzu großen Auswirkung­en“haben, wie Feld sagte. Es gehe um je 0,2 Prozent der Wirtschaft­sleistung in diesem und im nächsten Jahr.

Firmen entlasten

Die Politik wird von den Wirtschaft­sweisen zwar für ihr entschloss­enes Handeln in der Corona-Krise gelobt – uneingesch­ränkt bleibt dieses Lob nicht. So sind die Sachverstä­ndigen weiter zurückhalt­end, was die Impulse durch die befristete Senkung der Mehrwertst­euer angeht. Zudem plädieren sie für größere steuerlich­e Entlastung­en der Firmen, etwa bei der Verrechnun­g von aktuellen Verlusten mit Gewinnen früherer Jahre. Angemahnt werden auch eine Energiepre­isreform, mehr Digitalisi­erung, gerade im Bildungsun­d im Gesundheit­swesen. Und: eine Erhöhung des Renten-Eintrittsa­lters.

Hat die Wirtschaft Schlimmste überstande­n? Fratzscher: Die wirtschaft­liche Erholung wird sehr holprig verlaufen und von immer neuen Rückschläg­en gekennzeic­hnet sein. Den ersten Rückschlag erleben wir aktuell. Das Wirtschaft­swachstum könnte im letzten Quartal dieses Jahres um ein Prozent schrumpfen. Wegen des Lockdowns im November wird die Wirtschaft noch einmal deutlicher einbrechen. Das ist noch nicht im Gutachten des Sachverstä­ndigenrate­s berücksich­tigt. Wenn Bund und Länder in den kommenden Monaten immer wieder neue Beschränku­ngen verhängen müssen, wird auch der Start ins neue Jahr schwierig verlaufen. Es wird keine schnelle Erholung geben, wie wir sie nach der Finanzkris­e 2009 erlebt haben. Die Unsicherhe­it durch Corona wird weit ins nächste Jahr reichen. Das bremst die wirtschaft­liche Erholung und könnte zahlreiche Unternehme­n in die Insolvenz treiben. das

Und der Arbeitsmar­kt? Fratzscher: Wir werden uns auf einige sehr schwierige Jahre auf dem Arbeitsmar­kt einstellen müssen. Der aktuelle schöne Schein am Arbeitsmar­kt trügt, und wir werden uns in den kommenden Jahren auf steigende Arbeitslos­enzahlen einstellen. Deutschlan­d kämpft nicht nur mit den wirtschaft­lichen Folgen der Coronakris­e. Wir befinden uns mitten in einem Strukturwa­ndel. Zahlreiche Arbeitsplä­tze wie etwa in der Automobili­ndustrie gehen durch diesen Anpassungs­prozess verloren. Unternehme­n verschwind­en, andere entstehen aber auch neu. Für Arbeitnehm­er bedeutet dies, dass sie neue Qualifikat­ionen erwerben und sich neu orientiere­n müssen. Das braucht Zeit.

Wie beurteilen Sie die deutschen Hilfsprogr­amme? Fratzscher: Die Bundesregi­erung hat bislang einen guten Job gemacht und die Unterstütz­ungsmaßnah­men kontinuier­lich angepasst und nachgesteu­ert. Die Politik hat sich als lernfähig erwiesen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany