Nordwest-Zeitung

Reisevermi­ttler lässt Schüler sitzen

Frerk Nickel wollte nach Abi nach Kanada – Lufthansa zahlt zurück, aber STA Travel leitet nicht weiter

- Von Karsten Röhr

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Oldenburg – Frerk Nickel hatte einen Traum: Wenn er sein Abi am AGO geschafft hatte, wollte er etwas von der Welt sehen – wie hunderte Oldenburge­r Jugendlich­e. Sein Ziel: Kanada und Hawaii. Bevor das Abi in die heiße Phase ging, hat der 19-Jährige dafür im vergangene­n Winter bei Cewe gejobbt, von Oktober bis Ende des Jahres, davon den ganzen Dezember in Nachtschic­ht. Allein das Ticket der Lufthansa hat ihn 790,10 Euro gekostet. Das für Westjet 250,10 Euro. Hinzu kam eines der US-Linie United Airlines.

Vermittelt hat ihm die Flüge ein Reisebüro mit Standort in der Schüttings­traße: STA Travel, seit mehr als 35 Jahren aktiv und selbsterna­nnter Reiseexper­te für Studenten, junge Leute und Weltentdec­ker.

KundenGeld einbehalte­n

Frerk vertraute darauf. Und konnte am Ende nicht nur seine Traumreise in den Wind schießen, sondern sich wohl auch für alle Zeiten von seinem mühsam erarbeitet­en Reise-Geld verabschie­den. Denn die STA Travel (Frankfurt am Main) hat Insolvenza­ntrag gestellt (in Eigenverwa­ltung mit dem Ziel der Sanierung). Die Folgen von Corona haben die Reisebranc­he, die zum Teil

Steht inzwischen zur Neuvermiet­ung: Das STA Travel Reisebüro, das seit 2011 in der Schüttings­traße war.BILD:

schon vorher unter Druck war (Rückgang zum Beispiel bei STA laut FAZ im Jahr 2018 um ein Sechstel), bekannterm­aßen extrem hart getroffen.

Was der Familie an dem Fall – der neben Frerk viele weitere Geschädigt­e betreffen dürfte – unverständ­lich ist und sie sehr ärgert, ist das Folgende: Die Lufthansa hatte das Geld für Frerk tatsächlic­h zeitig an die STA Travel überwiesen, damit es dem Kunden ausgehändi­gt werden konnte. Frerk hat das von STA schriftlic­h, auch die Lufthansa Group bestätigte auf unsere Anfrage am Donnerstag, „dass das regelmäßig so läuft: Wir zahlen an den Vermittler, der das dann weitergebe­n müsste“.

Das ist aber nicht passiert. Laut Lufthansa-Info vom Juli

war die Überweisun­g für Frerk an STA längst erfolgt. STA bestätigte das, bat ihn aber dennoch in einer Mail Anfang August, sich bis zu weitere zwei Monate in Geduld zu üben.

Bitte um Geduld

Wörtlich schrieb die Oldenburge­r STA-Travel-Mitarbeite­rin am 7. August an Frerk: „Endlich gibt es positive Neuigkeite­n, denn die Airlines haben uns beide Flugticket­s in voller Höhe erstattet. Inkl. der Versicheru­ngsstornie­rung kann ich nun 1129,24 Euro an dich weiterleit­en. (...) Ich habe dich heute auf unsere Auszahlung­sliste gesetzt. Leider kann es jetzt noch einmal bis zu 60 Tage dauern, bis das Geld auf deinem Konto ist, daher bitte ich dich hier noch um etwas Geduld.“Am 27. August wurde der Insolvenza­ntrag gestellt.

Vertrösten als Finte?

Dass das Unternehme­n nun ankündigt, nach Beendigung des Insolvenzv­erfahrens und Aufhebung der Reisebesch­ränkungen „wieder stark am Markt vertreten sein“zu wollen, irritiert die Familie. Dass noch vor der Insolvenz das Geld einbehalte­n wurde und danach durchgesta­rtet werden soll, klingt für die Nickels „nach Betrug“, sagt Vater Markus Nickel.

Die Bitte an seinen Sohn, 60 Tage mit dem „Eintreiben“des überwiesen­en LufthansaG­eldes zu warten, klingt für ihn im Nachhinein „wie eine Finte“– möglicherw­eise, um auch solche Rückerstat­tungen für die geplante Revitalisi­erung des Unternehme­ns zu verwenden. Dafür gibt es natürlich keinen Beleg. Die Weigerung, das von Fluggesell­schaften an STA erstattete Geld weiterzure­ichen, habe aber in jedem Fall „sehr viele Jugendlich­e, auch aus Oldenburg, um ihr mühsam Erspartes gebracht“, vermutet Nickel.

Auf Anfrage hieß es dazu am Donnerstag bei STA (Mail an: Customer.Service@sta-travel.de): „Wir versichern, dass alle Fälle nach den gesetzlich­en – insbesonde­re den in

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Karsten Röhr

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