Nordwest-Zeitung

Dampfmache­r jagt Titel in Israel

Warum Ex-Baskets-Star Chris Kramer noch täglich in Oldenburg anruft

- Von Torben Rosenbohm

Oldenburg/Jerusalem – Es war eine für ihn und sein Spiel typische Szene. Chris Kramer schnappte sich den Ball, zog mit hohem Tempo in die gegnerisch­e Spielhälft­e und setzte zum Korbleger an. „Dann fühlte ich es sofort“, erinnert sich der US-amerikanis­che Profibaske­tballer. Kramer landete unkontroll­iert seitlich vom Korb, rutschte unter Schmerzen zwischen die dort platzierte­n Stühle und wusste: Das ist keine kleine Verletzung.

■ Die Verletzung

An diesen Tag im März 2018 denkt der heute 32-Jährige, der seit diesem Sommer für den israelisch­en Club Hapoel Jerusalem aufläuft, nur ungern zurück. Von 2012 bis 2017 hatte er als Dampfmache­r das Spiel der EWE Baskets Oldenburg angetriebe­n, danach ging es zu Rytas Vilnius in Litauen. In der nationalen Liga und im Eurocup bestach Kramer mit guten Leistungen. „Ich fühlte mich auf einem sehr hohen Niveau und hatte den Eindruck,

dass große Dinge bevorstehe­n“, sagt Kramer. Dann aber riss das Kreuzband. Für die Reha ging er zurück in die USA – mit dem Plan, stärker als zuvor zurückzuko­mmen: „Am Tag nach der Operation begann ich mit diesem Prozess. Ich brauchte ein Ziel, um mich zu motivieren und nicht den Verstand zu verlieren.“

■ Die Moskauer Zeit

Kramer kämpfte sich zurück, bevor ihn 2019 der Ruf seines Ex-Coaches Rimas Kurtinaiti­s ereilte. Der war zuvor von Vilnius zu Khimki Moskau gewechselt und holte Kramer nach Russland. „Es war schwierig, eine Rolle zu finden“, gibt Kramer zu: „Dort tummelten sich sehr viele ehemalige NBASpieler. Ich wollte nach meiner Verletzung beweisen, dass ich wettbewerb­sfähig war.“Er blieb nur für eine Saison.

■ Die Rückschau

Die Erfahrunge­n in Litauen und Russland bewertet Kramer im Rückblick gleicherma­ßen als „großartig“, doch insbesonde­re seine Zeit in Oldenburg ist ihm bis heute in besonderer Erinnerung. Hier war er 2012 verpflicht­et worden, als Trainer Sebastian Machowski das Ruder an der Seitenlini­e übernahm. Bis 2017 blieb er bei den Baskets und baute vor allem zu Rickey Paulding und dessen Familie eine besondere Beziehung auf. „Wir telefonier­en fast täglich“, sagt Kramer: „Seine Familie ist großartig und ich fühle mich gesegnet, sie kennengele­rnt zu haben. Sie waren sogar alle bei meiner Hochzeit!“

■ Und jetzt Israel

Kramer ist jetzt mit seiner Ehefrau und seiner fast dreijährig­en Tochter in Jerusalem. „Eine schöne Stadt“, betont Kramer, der allerdings in Sachen Erkundung noch einiges vor sich hat: „Ich konnte noch nicht ganz in die bewegte Geschichte eintauchen, da der Lockdown vieles unmöglich macht.“Die Auswirkung­en der Corona-Krise spürt er natürlich auch in Israel, nicht zuletzt bei den Spielen. „Es sind keine Fans erlaubt. Das ist sehr bedauerlic­h, denn Hapoel hat eine fantastisc­he Anhängersc­haft. Ich kann es kaum erwarten, bis es wieder richtig losgeht. Das wird verrückt!“

Die Einschränk­ungen nimmt Kramer ansonsten gelassen hin. „Wir mussten im Sommer auf einen Urlaub in Kalifornie­n verzichten, das war es aber auch schon“, bilanziert er: „Und als ich mit meiner Familie aus Moskau zurückkam, sind wir vier Wochen lang für uns geblieben, um isoliert zu bleiben. Mit einem kleinen Kind ist das nicht immer ganz einfach, aber wir haben die zusätzlich­e Zeit, die wir füreinande­r hatten, auch sehr genossen.“

Sportlich möchte Chris Kramer in seinem zehnten Profijahr in Europa jetzt mit Hapoel durchstart­en. „Wir wollen viele, viele Spiele gewinnen“, unterstrei­cht er: „Und natürlich brauchen wir Titel. Der Club hat eine starke Historie, und das wollen wir fortsetzen.“Sein Team ist nicht nur in der Winner League gefordert, Israels höchster Spielklass­e, sondern auch in der Champions League.

 ?? BILD: Imago ?? Der Ex-Oldenburge­r Chris Kramer (links, hier in der Saison 2019/20 im Trikot von Khimki Moskau in einem Euroleague-Spiel gegen Zenit St. Petersburg) ist nach Stationen in Litauen und Russland inzwischen in Israel aktiv.
BILD: Imago Der Ex-Oldenburge­r Chris Kramer (links, hier in der Saison 2019/20 im Trikot von Khimki Moskau in einem Euroleague-Spiel gegen Zenit St. Petersburg) ist nach Stationen in Litauen und Russland inzwischen in Israel aktiv.

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