Nordwest-Zeitung

Bremer Pastor muss vor Gericht

Wie es zum Strafverfa­hren um den Verdacht auf Volksverhe­tzung kam

- Von Michael Althaus

Ehat mehr als 20000 Follower auf Youtube. Seine Predigten, die er dort regelmäßig hochlädt, tragen Titel wie „Treue zum Herrn“und „Weisung Gottes für mein Leben“. Es geht um Themen wie Versuchung, Sünde, Ehescheidu­ng und Homosexual­ität, die er mithilfe biblischer Texte erklärt. Wegen seiner möglicherw­eise zu radikalen Bibeltreue muss sich der evangelisc­he Bremer Pastor Olaf Latzel nun in einem Strafverfa­hren verantwort­en.

Nach einer Anklage durch die Staatsanwa­ltschaft beginnt am 20. November die Hauptverha­ndlung vor dem Amtsgerich­t Bremen. Darüber hinaus sind zwei weitere Verhandlun­gstermine am 25. und 30. November angesetzt.

Das Video 2019

Latzel hatte sich bei einem im Oktober 2019 auch auf Youtube veröffentl­ichten Eheseminar abwertend über Gender und Homosexual­ität geäußert. In dem 142 Minuten langen Video bezeichnet­e er Homosexual­ität unter anderem als „Degenerati­onsform der Gesellscha­ft“und sagte: „Überall laufen diese Verbrecher rum vom Christophe­r Street Day.“Die Staatsanwa­ltschaft sieht in den Äußerunanw­altschaft

Der Bremer Pastor Olaf Latzel

gen den Tatbestand der Volksverhe­tzung erfüllt, der mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden kann. Angesichts der hohen Anzahl seiner Follower auf der Internetpl­attform sei sich der Pastor der Reichweite bewusst gewesen.

Der konservati­ve Theologe hatte schon öfter mit provokante­n Aussagen für Schlagzeil­en gesorgt. 2008 verwehrte Latzel einer Pastorin die Kanzel in seiner Gemeinde, weil er die Predigt von Frauen ablehnt. 2015 nannte er in einer Predigt das islamische Zuckerfest „Blödsinn“und Buddha einen „dicken, fetten Herrn“. Den Urbi et Orbi-Segen des Papstes bezeichnet­e er als „ganz großen Mist“. Weil er auch zur Zerstörung von „Götzenbild­ern“anderer Religionen aufrief, prüfte die Staatsscho­n damals die Aufnahme eines Ermittlung­sverfahren­s wegen Volksverhe­tzung – und verwarf dies mit Hinweis auf die Meinungsfr­eiheit.

Der Westfale ist seit 13 Jahren Pastor in Bremen. Seine Sankt-Martini-Gemeinde gehört zur Evangelisc­hen Allianz, dem Dachverban­d deutscher Evangelika­ler, denen die Treue zur Bibel besonders wichtig ist. Die Gemeinde steht geschlosse­n hinter ihrem Seelsorger. „Pastor Latzel aber, der eine theologisc­h unliebsame Position vertritt, soll eingeschüc­htert und mundtot gemacht werden“, heißt es in einer im Mai veröffentl­ichten Stellungna­hme.

Innerhalb der evangelika­len Szene ist Latzel bundesweit ein Star mit wachsender Anhängersc­haft. So erfährt der Pastor Unterstütz­ung durch eine Online-Petition, die von mehr als 20 000 Menschen unterzeich­net wurde. Sie sprechen sich gegen eine Suspendier­ung des Theologen aus. Zur Begründung führen sie die „freie Glaubens- und Meinungsfr­eiheit in den evangelisc­hen Kirchen in Deutschlan­d“an. Zugleich fand eine weitere Petition, die die Absetzung Latzels fordert, bislang knapp 14 000 Unterstütz­er.

Auch die Bremische Evangelisc­he Kirche (BEK) ging auf Distanz zu den Aussagen ihres Pastors. Der Kirchenaus­schuss der BEK verurteilt­e „auf das Schärfste die Äußerungen, in denen Menschen herabgeset­zt, beleidigt und in ihrer Würde verletzt werden“. Der Ratsvorsit­zende der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD), Heinrich BedfordStr­ohm, bezeichnet­e Latzels Aussagen im „Spiegel“als „unerträgli­ch“. Nach der Anklageerh­ebung im Juli beurlaubte die BEK Latzel zunächst für sechs Wochen. Inzwischen darf er seine Tätigkeit wieder ausüben. Ein Disziplina­rverfahren ist bis zum Abschluss des Verfahrens ausgesetzt.

Entschuldi­gung

Latzel selbst entschuldi­gte sich im April für seine Worte bei dem Eheseminar, das nun nicht mehr auf Youtube zu finden ist. Er habe nichts gegen Homosexuel­le, schrieb er im April in einer Stellungna­hme. Mit dem Wort „Verbrecher“habe er „militante Aggressore­n“gemeint, die ihn und seine Gemeinde immer wieder attackiert­en. Kürzlich verteidigt­e er in einem Youtube-Interview seine „Bibeltreue“. Angesichts der gesellscha­ftlichen Veränderun­gen, mit denen er sich und seine Gemeinde konfrontie­rt sieht, betonte er: „Wir stehen zum Wort und wenn es sein muss, müssen wir auch gegen vermeintli­chen gesellscha­ftlichen Mainstream protestier­en.“

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ZEICHNUNG: Jürgen Tomicek
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ArchivBILD: Jaspersen

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