Rennplatz-Tribüne als Zuhause auf Zeit
Flucht aus zerbombten Bremen und ausgebrannter Wohnung nach Oldenburg
Ohmstede/Krusenbusch – Die Tribüne vom Rennplatz in Ohmstede als neues Zuhause – für eine gewisse Zeit war das für Gerda Beckmann Realität. Fünf Jahre war sie damals erst alt, doch die Geschehnisse von damals haben sich tief in ihr Gedächtnis eingebrannt.
Handtasche blieb
Geboren wurde sie in Bremen, die ersten Jahre ihrer Kindheit hat die 80-Jährige in einem Haus in Bremen/Rablinghausen, an der Straße Auf den Deepen, verbracht. „Doch dann, ziemlich zum Ende des Krieges, kam ein fürchterlicher Bombenangriff. Mit meiner Mutter war ich, wie immer bei Alarm, in den Bunker geflüchtet. Doch als wir diesmal wieder herauskamen, stand um uns herum alles in Flammen. Unser Zuhause war zerstört. Wir standen mit nichts als mit der Handtasche meiner Mutter und ich mit meinem Puppenkoffer auf der Straße“, erzählt sie noch heute sichtlich bewegt.
Bus hielt in Oldenburg
Was tun? „Wir liefen zu einer Sammelstelle, stiegen dort in einen Bus, der uns aus der Stadt herausbringen sollte. Meine Mutter sagte zum Fahrer, dass sie an der ersten Stelle aussteigen will, an der der Bus hält“, erzählt sie weiter. Das war in Oldenburg. Sie wurden in die Wohnung einer Familie
an der von-Kobbe-Straße in Haarentor zwangseingewiesen. Die Frau des Hauses wollte Mutter und Kind nicht bei sich behalten. Das Mädchen weinte oft, das störte. Schließlich wurden sie von einer Nachbarin aufgenommen, die etwas freundlicher war.
Der Krieg ging zu Ende, mit einem Henkeltopf holte ihre Mutter, Else Friedrich, etwas zu Essen von der GEG-Fleischwarenfabrik an der Industriestraße. Wenig später kehrte der Vater, Paul, zur Familie zurück, dem an der Rennplatzstraße in einem Zwei-Familienhaus ein Zimmer zugewiesen wurde. Doch auch dort mussten sie nach kurzer Zeit
wieder räumen und die Familie kam im Kassenraum in den Resten der Tribüne des Rennplatzes unter. In den ursprünglich auf dem Platz für Zwangsarbeiter gebauten Baracken waren Flüchtlinge aus Lettland untergekommen.
„Frau Otto Hanken“
Der Vater fand Arbeit bei „Frau Otto Hanken“, die laut Gerda Beckmann so angesprochen werden wollte, auf einem Hof. Hinter der Tribüne legte er einen kleinen Garten an, hielt Hühner und Kaninchen. Trotz aller Not war Ohmstede für die Kinder ein kleines Paradies. Bei Regen tobten sie
durch die Pfützen, im Sommer fuhren sie zum Baden an den Flötenteich oder zu den Bornhorster Wiesen – die Seen existierten damals noch nicht.
Fließend Wasser gab es nicht, Strom nur zeitweise. Das Wasser wurde in Eimern von einer weiter entfernten Zapfstelle geholt. Mit Bezugsscheinen standen der Familie Betten und Schränke zu, die bei Möbel Rosenbohm bestellt wurden. 1948 wurde ihre Schwester geboren, dann erkrankte ihr Vater, er starb. Auch ihre Schwester ist mittlerweile verstorben.
„Ein richtiges Zuhause fanden wir erst 1952, als wir eine moderne Wohnung in Kreyenbrück
bezogen – mit Wassertoilette und Badewanne“, erzählt Gerda Beckmann weiter. „Das war wie eine Befreiung.“Sie machte eine Lehre als Kontoristin, arbeitete später bei Büsing und Fasch, ihre Mutter fand bei der AEG eine Stelle und blühte förmlich auf. 1961 heiratete Gerda Friedrich ihren Mann Arno und heißt seitdem Beckmann. 1963, 1965 und 1971 kamen ihre drei Töchter zur Welt, drei Enkelkinder gehören zur Familie. Heute wohnen die Eheleute in einem schönen Haus in Krusenbusch. Das wissen sie sehr zu schätzen, die Erinnerungen an die schweren Jahre nach dem Krieg sind geblieben.