Nordwest-Zeitung

Einfach abhauen kann teuer werden

Wer in einen Unfall verwickelt ist, sollte am Unfallort warten oder die Polizei rufen

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Berlin/ftd – Jedes Jahr registrier­t die Polizei rund 300 000 Unfallfluc­hten. Oft sind es nur Kleinschäd­en. Viele Opfer melden den Schaden gar nicht erst. Tun sie es doch, findet die Polizei den Täter oft, weil es Zeugen gibt. Die Ausrede „Ich habe nichts bemerkt“gilt als klassische Schutzbeha­uptung. Richter bohren dann nach. Meist wird ein Gutachter beauftragt – oft mit dem Ergebnis, dass auch eine leichte Kollision fühlbar oder hörbar war.

Ausrede unglaubwür­dig

Eine 76-Jährige musste zum Beispiel 750 Euro Strafe zahlen. Sie hatte beim Ausparken ein Auto berührt: 411 Euro Schaden. Dass sie den Anstoß mit dem Klappern des Rollstuhls im Kofferraum verwechsel­t hatte, nahm das Gericht ihr nicht ab. Aber die Frau hatte damit zugegeben, dass sie am Steuer gesessen hatte. Möglicherw­eise hätte ein Anwalt ihr geraten, keine Aussage zu machen. Noch unglaubwür­diger war eine AudiFahrer­in, die beim Ausparken den Nachbar-Pkw erwischt hatte. Sie stieg aus, sah nach und fuhr dann weg. Dafür verhängte das Amtsgerich­t Rheinbach zwei Monate Fahrverbot (Az. 15 Ds 121/18).

Ein Zettel reicht nicht

Ist der Parkremple­r passiert, sollte man warten, bis der Geschädigt­e kommt oder die Polizei rufen. „Es reicht nicht, einen Zettel unters Wischerbla­tt zu klemmen“, erklärt Rechtsanwa­lt Gülpen in der Zeitschrif­t Finanztest. „Der Wind könnte das Papier wegwehen.“Warten muss man mindestens etwa 30 Minuten, sicherer sind 60 Minuten.

Kürzer darf das Warten ausfallen, wenn absehbar ist, dass niemand kommt, wie nachts auf einer Landstraße. Das

Oberlandes­gericht Dresden fand zehn Minuten genug, als ein Mann nachts um 2.30 Uhr gegen eine Leitplanke gefahren war. Bei Schneefall musste er sich nicht der Gefahr aussetzen, länger auf dem Standstrei­fen der Autobahn anzuhalten (Az. 4 U 447/18). Danach muss man sich aber bei der Polizei melden, am besten sofort per Handy.

Dass es reicht, den Schaden in den nächsten 24 Stunden zu

melden, ist ein Irrtum.

Bei Bagatellen kann die Wartepflic­ht ganz entfallen. Eine 83-Jährige, die einen Baum touchiert hatte und dann nach Hause fuhr, um von dort in Ruhe ihre Versicheru­ng anzurufen, bekam vorm Landgerich­t Magdeburg recht. Der Baum hatte nur kleine Kratzer, die bei Straßenbäu­men üblich sind (Az. 11 O 1063/ 19). Ähnlich ist es, wenn man eine Leitplanke berührt

und nur kleine Kratzerche­n verursacht.

Ärger mit Versicheru­ng

Weniger gnädig ist die KfzVersich­erung. Der Vertrag verpflicht­et Autofahrer, bei der Klärung des Sachverhal­ts zu helfen. Unfallfluc­ht ist das Gegenteil. Der Vollkaskov­ersicherer darf dann die Zahlung kürzen, so das Oberlandes­gericht Oldenburg (Az. 3 U 2/03). Man muss den Unfall sofort melden, damit der Versichere­r prüfen kann, ob grobe Fahrlässig­keit vorlag. In dem Fall betrug der Fremdschad­en nur 270 Euro. Die Reparatur des eigenen Autos kostete 9 100 Euro. Darauf blieb der Mann sitzen.

Zusätzlich macht die KfzHaftpfl­ichtversic­herung Ärger. Zwar zahlt sie den Scha

den am fremden Auto. Doch sie darf bis 2 500 Euro zurückford­ern, in schweren Fällen bis 5 000 Euro. Das Gleiche gilt, wenn der Fahrer Spuren verwischt oder falsche Angaben macht (Oberlandes­gericht Celle, Az. 8 U 79/09). Opfer von Fahrerfluc­ht bleiben meist auf ihrem Schaden sitzen. Wer eine Vollkasko hat, kann sie in Anspruch nehmen. Sie stuft danach aber den Schadenfre­iheitsraba­tt zurück.

 ?? Dpa-BILD: Christin Klose ?? Auch wer nur eine kleine Schramme an einem anderen Auto verursacht, darf nicht ohne weiteres wegfahren.
Dpa-BILD: Christin Klose Auch wer nur eine kleine Schramme an einem anderen Auto verursacht, darf nicht ohne weiteres wegfahren.

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