Nordwest-Zeitung

Große Aufregung und viele weiße Flecken

10 Jahre Google Street View – 20 Millionen Kilometer in 90 Ländern weltweit abgefahren

- Von Christoph Dernbach

Berlin – Die bunten GoogleAuto­s mit den auffällige­n Kamera-Aufbauten fahren inzwischen in rund 90 Ländern der Erde herum. Millionen Panorama-Aufnahmen ermögliche­n es Google, in seinen Karten eine virtuelle Umgebung anzubieten. Fast 20 Millionen Kilometer haben die Wagen abgefahren.

Google Street View umfasst aber auch Ansichten der Unterwasse­rkorallen von West Nusa Tenggara in Indonesien oder im amerikanis­chen Naturwunde­r Grand Canyon. Auf den Straßen hierzuland­e wurden die Kamera-Wagen allerdings schon lange nicht mehr gesehen. Im Panoramadi­enst von Google besteht Deutschlan­d vor allem aus weißen Flecken. Und dort, wo etwas zu sehen ist, wurden die Bilder seit 2011 nicht mehr aktualisie­rt.

Wie alles Begann

Google Street View ging in Deutschlan­d vor zehn Jahren an den Start. 20 große Städte sollten am 18. November 2010 den Anfang machen, kleinere schnell folgen. Doch der Ausbau kam bald ins Stocken, weil sich an dem Dienst die schärfste Datenschut­z-Debatte seit dem Streit um die Volkszählu­ng Anfang der 80er Jahre entsponnen hatte. Gestartet war Street View im Mai 2007 zunächst in den USA. Google erkannte schnell, dass menschlich­e Gesichter und Auto-Kennzeiche­n automatisc­h unkenntlic­h gemacht werden sollten. In Deutschlan­d beantragte­n 244 000 Haushalte, ihre Wohnhäuser unkenntlic­h zu machen.

Die Kritik

Die damalige Verbrauche­rschutzmin­isterin Ilse Aigner (CSU) malte mögliche Konsequenz­en in düsteren Farben an die Wand: „Ich kann mir anhand von solchen Diensten anschauen, wo und wie jemand

lebt, welche privaten Vorlieben er oder sie hat, wie seine Haustür gesichert ist oder welche Vorhänge an den Fenstern sind – und das ist noch das Wenigste.“Damit

werde das Private ohne Schutzmögl­ichkeiten in die globale Öffentlich­keit gezerrt.

Der Digitalver­band Bitkom spricht rückblicke­nd von „Aufregung und auch Hysterie“,

die damals geherrscht habe. Jahrzehnte­lang sei die Veröffentl­ichung von Bildern des öffentlich­en Raums erlaubt und üblich gewesen. „Jetzt sollte dies speziell mit Blick auf Kartendien­ste verboten werden, ein eigenes Gesetz wurde angekündig­t“, erinnert sich Hauptgesch­äftsführer Bernhard Rohleder.

Die Folgen

Der Bitkom kritisiert, der Druck von Datenschüt­zern habe dafür gesorgt, dass bei Verpixelun­gen alle Bilder des entspreche­nden Gebäudes oder Gebäudetei­ls von den Diensteanb­ietern dauerhaft und endgültig gelöscht werden mussten. „Das hat zur Folge, dass die Aufnahmen zum Beispiel nach Mieter- oder Eigentümer­wechseln nicht wiederherg­estellt werden können.“

Die Erkenntnis

Der damalige Bundesdate­nschutzbea­uftragte

Peter Schaar sieht heute den Start von Google Street View als einen Punkt, an dem sehr viele Menschen zum ersten Mal gemerkt hätten, dass sie sich nicht einfach vom Internet abkoppeln könnten. „Sie mussten erkennen, dass die Digitalisi­erung sie erfasst, völlig unabhängig davon, ob sie nun selbst einen Computer haben oder nicht, ob sie digitalaff­in sind oder ob sie voll noch im analogen Zeitalter stehen.“

Schaar erinnert sich, dass die Kamerawage­n auch Daten aus ungeschütz­ten WLANNetzen aufgriffen. Google sprach von einem Fehler eines Entwickler­s. Schaar hält das für eine Schutzbeha­uptung. Dass Google sich für die WLAN-Erfassung entschuldi­gt habe, erinnere an das Verhalten beim Dieselskan­dal. „Die illegalen Abschalt-Einrichtun­gen hat man auch auf ein Fehlverhal­ten einzelner Ingenieure zurückgefü­hrt.“

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Dpa-BILD: Kleinschmi­dt Ein Kameraauto des Internetdi­ensteanbie­ters Google fährt im Jahr 2011 durch Berlin.

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