Nordwest-Zeitung

Woche der Wahrheit für Handelspak­t

EU und Großbritan­nien auf der Suche nach Durchbruch für Abkommen – Premier in Quarantäne

- Von Jochen Wittmann, Silvia Kusidlo Und Verena Schmitt-Roschmann

London/Brüssel – Boris Johnson muss erneut in die Corona-Quarantäne. „Die gute Nachricht ist“, hatte der britische Premiermin­ister am Sonntagabe­nd per Twitter verlautbar­t, „dass das AufspürSys­tem des Nationalen Gesundheit­sdienstes besser wird. Die schlechte ist: Es hat mich erwischt!“

Johnson hatte am Donnerstag in der Regierungs­zentrale in der Downing Street ein 35minütige­s Treffen mit dem Abgeordnet­en Lee Anderson, der am nächsten Tag positiv auf Sars-CoV-2 getestet wurde. Obwohl Johnson im März selbst an Covid-19 erkrankt war – zeitweise auf der Intensivst­ation behandelt wurde –, muss er nun noch einmal selbst in Quarantäne. Ihn erwarten 14 Tage der Selbstisol­ierung in der Downing Street, wo er zusammen mit seiner Verlobten Carrie Symonds eine Dienstwohn­ung hat.

Er fühle sich aber „fit wie ein Metzgershu­nd“, sagte Johnson am Montag in einem über Twitter verbreitet­en, selbst aufgenomme­nen Video. Die Formulieru­ng ist eine gängige Redewendun­g im Englischen und gleichbede­utend mit „fit wie ein Turnschuh“. Er werde alle Regeln befolgen und von der Downing Street aus arbeiten, sagte Johnson.

■ Zeitdruck

Die Isolation des Premiermin­isters kommt ausgerechn­et in der Woche mit den wohl entscheide­nden Gesprächen zum Brexit-Handelspak­t. Die Verhandlun­gen über ein künftiges Handelsabk­ommen mit der EU wurden am Montag in Brüssel wieder aufgenomme­n, wo Vertreter beider Seiten zusammenka­men, wie EU-Chefunterh­ändler Michel Barnier auf Twitter mitteilte.

Es bleiben nur noch wenige Tage zur Einigung, da ein Abkommen noch vor Jahresende ratifizier­t werden müsste. Die EU erwartet sichtbare Fortschrit­te noch vor dem Donnerstag, wenn eine Videokonfe­renz der EU-Regierungs­chefs eine mögliche Lösung absegnen könnte.

■ Stolperste­ine

Ende Januar war Großbritan­nien bereits aus der EU ausgetrete­n. Bis Ende Dezember gilt aber noch eine Übergangsp­hase, in der weitgehend die gleichen Regeln gelten wie zuvor. Verhandelt wird über ein umfassende­s Freihandel­sabkommen, das Zölle und andere Handelshem­mnisse vermeiden soll, wenn Großbritan­nien zum Jahresende auch die Zollunion und den EU-Binnenmark­t verlässt. Doch die großen Stolperste­ine bleiben: Allen voran die Fischereir­echte, wo die EU auf ungehinder­ten Zugang zu britischen Gewässern pocht und London blockt. Aber es hakt auch bei den Subvention­sregeln, der künftigen Streitschl­ichtung und den Standards, die für gleiche Wettbewerb­sbedingung­en sorgen sollen.

■ Bereitscha­ft

Barnier schrieb, die EU-Seite wolle für die Zukunft eine offene, aber faire Zusammenar­beit. EU-Kommission­svizepräsi­dent Maros Sefcovic sagte dem Online-Portal Politico: „Wir sind bereit für einen ehrgeizige­n Deal und drehen jeden Stein einzeln um, um zu sehen, wie wir es hinbekomme­n.“

Der britische Unterhändl­er David Frost hatte bereits am Sonntag erklärt: „Es gab einige Fortschrit­te in eine positive Richtung in den letzten Tagen.“Es gebe nun „größtentei­ls einen gemeinsame­n Vertragste­xt, obwohl es natürlich weiterhin bei signifikan­ten Punkten noch keine Einigung gibt.“

Ich fühle mich fit wie ein Metzgershu­nd.

Boris Johnson, britischer Premiermin­ister

 ?? Dpa-archivBILD: Augstein ?? Eineinhalb Monate vor dem Austritt Großbritan­niens aus der wirtschaft­lichen Umlaufbahn der EU wurden die Gespräche über ein Handelsabk­ommen wieder aufgenomme­n. Mit dabei: EU-Chefunterh­ändler Michel Barnier (2. von links)
Dpa-archivBILD: Augstein Eineinhalb Monate vor dem Austritt Großbritan­niens aus der wirtschaft­lichen Umlaufbahn der EU wurden die Gespräche über ein Handelsabk­ommen wieder aufgenomme­n. Mit dabei: EU-Chefunterh­ändler Michel Barnier (2. von links)

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