Intensivpfleger mit wichtiger Botschaft
Andreas Schneider klagt mit eigenem Lied Zustände in der Pflege an
Bremen/Lastrup – Geräte piepen, geben schrille Warntöne von sich: Seit 16 Jahren arbeitet Andreas Schneider als Krankenpfleger im Klinikverbund Bremen, die vergangenen zehn Jahre verbrachte der gebürtige Lastruper (Kreis Cloppenburg) auf einer Intensivstation. Die Belastung dort ist enorm. Selbst der 38-Jährige – durchtrainiert, topfit – stößt insbesondere in diesem Jahr der Corona-Krise immer wieder an seine Grenzen.
■ Das Song-Projekt
Nun hat er seinen Gefühlen Raum gegeben, sie in einen Song verpackt, der auf der Plattform Youtube zu hören ist. „Keine Pause“, heißt das Lied, das er in einem Projekt mit zwei professionellen Musikern aufgenommen hat. Es ist emotional, aufwühlend und bedrückend zugleich. „Wir sind für euch da, lasst uns jetzt nicht allein“, rappt Andreas Schneider, oder: „Keine Pause. Hunger. Durst. Nass vom eigenen Schweiß. Das ist unser Job hier – und wir zahlen den Preis.“Bisher hat das Musikvideo gut 14 000 Aufrufe.
Eigentlich sei er überhaupt nicht musikalisch, habe allenfalls in den eigenen vier Wänden für sich gesungen, erzählt er. „Ich war in Sorge, mich zu blamieren.“Doch der Song soll authentisch sein, die Emotionen transportieren, die ihm und wahrscheinlich vielen anderen Kollegen während der ersten Welle durch den Kopf gingen. „Nicht der Gesang, sondern die Message steht im Vordergrund“, sagt der Pfleger.
■ Die Botschaft
Die Nachricht. Sie ist dem Bremer wichtig. Er will über die Zustände in der Pflege aufklären, ein „bisschen mehr Staub aufwirbeln“, wie er sagt. Viele Kollegen, die der Arbeitsbelastung nicht standhalten, würden den Beruf wechseln. „Ich kann mir für mich keinen anderen Beruf vorstellen“, sagt er. Trotzdem fühle er sich seit der Corona-Krise emotional in die Enge gedrängt. Doch statt seinem Beruf den Rücken zu kehren, geht er in den „Frontalangriff“, will mit dem Song Druck auf die Politik ausüben, sie wachrütteln.
Deutschlandweit würden die Corona-Zahlen auf den Intensivstationen steigen, weiß auch Andreas Schneider. Die Arbeitsbelastung sei schon vor der Krise hoch gewesen, nun spitze sich die Lage zu. „In der ersten Welle im Frühjahr waren wir nicht vorbereitet – das ist nun besser, aber das Personal fehlt. Das beunruhigt mich.“
■ Der erste Schritt
Seit der ersten Welle habe es Einigungen gegeben, sagt Andreas Schneider. Er selbst hat in seiner Stufe eine Bonuszahlung von 400 Euro erhalten, bekommt bis zum Jahr 2022 zehn Prozent mehr Gehalt.
„Das ist ein sehr guter Schritt nach vorne, aber Geld ist nicht alles“, sagt er. „Ich wünsche mir mehr Personal, um die Arbeitsbelastung zu reduzieren.“Eine generelle Personaluntergrenze von zwei Patienten zu einem Pfleger sei wichtig – egal in welcher Schicht. „Hebt man diese Untergrenze an, beispielsweise auf fünf zu eins, hat man keine Zeit mehr für den Patienten.“Der pflegerische Aufwand insbesondere in der Intensivmedizin sei dafür viel zu hoch.
■ Das Ziel
Andreas Schneider will, dass die Pflege in der Öffentlichkeit attraktiver wahrgenommen wird. Nachhaltig.
Meist passiere erst etwas, wenn man selbst betroffen sei, dabei muss schon vorher etwas geschehen, sagt der Intensivpfleger. „Ich würde mir wünschen, dass die Politik mehr Geld in die Hand nimmt und sich Strategien überlegt, wie frisch examinierte Pflegekräfte langfristig in dem Beruf bleiben“, sagt er. „Der Beruf ist ein guter Job, weil man etwas sinnvolles macht.“Auch die älteren Kollegen liegen ihm am Herzen. Für sie fordert er eine bessere Altersteilzeit, damit sich die Kollegen bis zu ihrer Rente nicht psychisch und körperlich „kaputt machen“.
Um selbst fit zu bleiben, treibt Andreas Schneider sechs Mal pro Woche Sport. „Dabei schalte ich ab, das ist mein Ventil.“Denn eines will er auf keinen Fall: aufgeben.