Nordwest-Zeitung

Gewährleis­tung beim Grundstück­skauf

Was tun bei Mängeln und fehlenden Genehmigun­gen? – Möglichkei­ten für geschädigt­e Käufer

- Von Hendrik Pancratz

Kauft man ein Grundstück, ist dies im rechtliche­n Sinne zunächst Dasselbe wie der Kauf eines Fahrzeugs oder eines Fernsehers. So bestehen zwar erhöhte (Form)Anforderun­gen an die Wirksamkei­t der Eigentumsü­bertragung, insbesonde­re im Hinblick auf die Mängelgewä­hrleistung gelten aber die allgemeine­n §§ 433 ff. BGB. Auch das Fehlen einer Baugenehmi­gung für Gebäude oder Gebäudetei­le stellt überdies regelmäßig einen Sachmangel dar, der ein Vorgehen

Hendrik Pancratz

Rechtsanwa­lt mit Schwerpunk­ten Handels- und Gesellscha­ftsrecht gewerblich­er Rechtsschu­tz Bau- und Architekte­nrecht

nach kaufrechtl­ichem Gewährleis­tungsrecht ermögliche­n kann. Stellt ein Käufer daher fest, dass das Grundstück oder das sich darauf befindlich­e Gebäude von seinen Erwartunge­n abweicht, stehen ihm unter Umständen die Rechte zu, die sich aus § 437 BGB ergeben, mithin etwa das Recht, unter bestimmten Voraussetz­ungen den Kaufvertra­g über einen Rücktritt rückgängig und Kaufpreisr­ückzahlung geltend zu machen, Schadenser­satz zu fordern oder den Kaufpreis zu mindern und den überzahlte­n Betrag vom Verkäufer zurückzuve­rlangen.

Problem: Gewährleis­tungsaussc­hluss

Komplizier­t wird es allerdings in Grundstück­sangelegen­heiten in aller Regel deshalb, weil die Parteien im notarielle­n Kaufvertra­g einen Gewährleis­tungsaussc­hluss und nicht selten auch eine Verjährung­sverkürzun­g vereinbare­n. So ist in den allermeist­en Grundstück­skaufvertr­ägen die Klausel „Die Haftung des Verkäufers wegen Sach- und Rechtsmäng­eln wird ausgeschlo­ssen.“(oder ähnlich) sowie beispielsw­eise eine Verkürzung der Verjährung­sfristen auf sechs Monate

enthalten. Bereits hieraus lässt sich erkennen: Eine Verjährung­sverkürzun­g wäre nicht erforderli­ch, wenn tatsächlic­h Sach- und Rechtsmäng­el unter jedem erdenklich­en Gesichtspu­nkt und ohnehin ausgeschlo­ssen wären.

Entscheide­nd: Arglist?

Gewährleis­tungsrecht­e können trotz des formuliert­en Ausschluss­es vor allem dann bestehen, wenn die Parteien sich explizit über eine bestimmte Eigenschaf­t der Kaufsache geeinigt haben. Kein Gewährleis­tungsaussc­hluss erstreckt sich auf sog. Beschaffen­heitsverei­nbarungen oder gar Garantien. Relevanter ist jedoch die Fallgruppe, in der der Verkäufer einen vorhandene­n Mangel arglistig verschwieg­en hat. Nach § 444 BGB greift in diesen Fällen auch ein ausdrückli­ch formuliert­er Gewährleis­tungsaussc­hluss nicht. Auch die Verjährung kann in Fällen vorsätzlic­hen Handelns nicht beliebig verkürzt werden, § 202 BGB.

Arglist = Hinterlist?

Arglist – das klingt nach böswillige­r Täuschung. Eine solche ist aber nicht erforderli­ch, damit der Käufer aufgrund des Verschweig­ens bestimmter Tatsachen oder gewisser Mängel um den Gewährleis­tungsaussc­hluss „herumkommt“. Nach höchstrich­terlicher Rechtsprec­hung genügt es, wenn der Verkäufer den Mangel für möglich hält und gleichzeit­ig damit rechnet und es billigend in Kauf nimmt, dass sein Vertragspa­rtner den Mangel nicht kennt und bei Offenbarun­g den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbart­en Inhalt geschlosse­n hätte. Das heißt: Es ist insbesonde­re nicht vonnöten, dass der Verkäufer in Täuschungs­absicht handelt. Klärt er über eine ihm bekannte und wesentlich­e Tatsache zum Beispiel nicht auf, kann dies bereits genügen.

Wie kann Arglist bewiesen werden?

In der Praxis zeigen sich freilich Probleme, wenn man die genannte Arglist nachweisen will. Dies liegt in der Natur der Sache – es handelt sich um eine sog. innere Tatsache – und wie soll der Käufer wissen oder gar beweisen, was sich der Verkäufer bei dem Verkauf gedacht hat? Hinzu kommt, dass die Beweislast für die anspruchsb­egründende Tatsache „Arglist“beim Käufer liegt. Hier kommt es häufig darauf an, Indizien zu sammeln, die dafür sprechen, dass diese Arglist gegeben ist. Dies kann durch Einsicht in das Grundbuch (Seit wann war der Verkäufer Eigentümer?) oder die Bauakte geschehen, je nach Konstellat­ionen kann es sich auch anbieten, die Nachbarn zu befragen. In letzter Konsequenz ist sich auch ein Gericht des Problems bewusst, dass innere Tatsachen nur schwer zu belegen sind und wird seine Überzeugun­g auf Indizien stützen (müssen).

Wie ist vorzugehen?

Um letztlich die Rechte aus Grundstück­smängeln verfolgen zu können, empfiehlt es sich nach diesseitig­er Ansicht in der Regel, dem Verkäufer unter Fristsetzu­ng die Möglichkei­t zu geben, die (möglichst genau zu bezeichnen­den) Mängel auszubesse­rn. Zwar ist es anerkannt, dass in Fällen einer Arglisthaf­tung eine Fristsetzu­ng zur Nacherfüll­ung entbehrlic­h sein kann. Durch die Aufforderu­ng zur Mangelbese­itigung werden in vielen Fällen aber zunächst unnötige Kosten und Risiken gespart und die Parteien sehen sich nach Kaufvertra­gsabschlus­s nicht das erste Mal vor Gericht wieder. Die Aufforderu­ng

sollte aus taktischen Gründen jedoch erst dann formuliert werden, wenn zunächst sämtliche Beweise – insbesonde­re zum Umstand der Arglist – gesichert worden sind. Sodann lässt sich der Konflikt häufig bereits außergeric­htlich beilegen.

@ www.rae-wandscher.de

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