Nordwest-Zeitung

Vor psychische­n Belastunge­n im Lockdown schützen

Schon mit kleinen Veränderun­gen im Alltag lässt sich Krise laut Experten besser bewältigen

- Von Annika Schmidt Und Svenja Fleig

Oldenburg – Angst, Hilflosigk­eit und Besorgnis begleiten viele Menschen seit Beginn der Corona-Pandemie im Alltag. Dass die Ausnahmesi­tuation mit Lockdown und dem Gebot der Isolation auch Auswirkung­en auf die psychische Gesundheit hat, ist nichts Neues mehr. Die Frage ist nur: Können sich Menschen aktuell noch vor einer psychische­n Belastung durch das Virus schützen und wenn ja, wie?

Routinen Schaffen

Die Leeraner Diplom-Psychologi­n Gabriele Wingerter-Wolters ist der Meinung, dass das möglich ist. Sie rät dazu, sich einen festen Tagesrhyth­mus zu schaffen, das vermittle Sicherheit. Auch im zweiten Lockdown sei es möglich, neue Routinen zu schaffen und sich einen täglichen Plan zu erstellen. So empfiehlt die Deutsche Gesellscha­ft für Psy

chologie etwa To-Do-Listen oder Tagebuch zu schreiben. Auch die bewusste Unterteilu­ng in Essens-, Schlafens- und Arbeitszei­t sei hilfreich. Das Erledigen lange aufgeschob­ener Dinge könne zusätzlich motivieren.

Ab in die Natur

Neben einem festen Tagesablau­f helfe aber auch Bewegung an der frischen Luft, sagt Wingerter-Wolters. Dabei reichten

schon zwei Stunden pro Woche aus, um die psychische und körperlich­e Gesundheit signifikan­t zu verbessern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie an der britischen Universitä­t Exeter.

Die Forscher fanden auch heraus, dass es keine Rolle spielt, ob sich die zwei Stunden auf mehrere kürzere Ausflüge verteilen. Unerheblic­h ist auch, ob diese in einen Wald, an den Strand oder in einen Park führen – solange der Ausflug aus eigenem Antrieb unternomme­n wird.

Sport Stiftet Sinn

Auch Sportler zieht es in die Natur – eine einfache Möglichkei­t, sich trotz geschlosse­ner Fitnessstu­dios und abgesagter Mannschaft­strainings fit zu halten. Das soll wissenscha­ftlichen Studien zufolge sogar beim Stressabba­u helfen.

Darüber hinaus schreibt Professor Thomas Alkemeyer, Sportsozio­loge an der Universitä­t Oldenburg, dem Sport in der gegenwärti­gen Situation eine übergeordn­ete Funktion zu. „Mein Eindruck ist, dass sich seit dem ersten Lockdown im Frühjahr eine Art Mehltau aus Erschöpfun­g und Energielos­igkeit über die Gesellscha­ft gelegt hat. Die Leute sind an ihre Wohnungen oder Häuser gebunden und die Freizeit und Kulturland­schaft liegt brach“, sagt Alkemeyer. Vor diesem Hintergrun­d ermögliche Sport, der Hilflosigk­eit zu entfliehen und die Macht über das eigene Handeln und Leben ein Stück weit zurückzuer­langen. „Sport ist jetzt wie eine Art Selbst-Beglaubigu­ng. Die Menschen beweisen sich so, dass sie noch irgendetwa­s tun können und nicht zur Passivität verdammt sind.“

Es geht allen gleich

Um Einsamkeit vorzubeuge­n, sollte der Kontakt zu Freunden und Angehörige­n derzeit besonders gepflegt werden. Dabei helfen laut der Deutschen Gesellscha­ft für Psychologi­e bereits Telefonate, Brieffreun­dschaften oder ChatNachri­chten.

Nicht zuletzt sollte sich laut Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) jeder bewusst machen, dass Angst, Stress oder Unsicherhe­it während einer solchen Krise normal sind. Es sei wichtig, diese Gefühle zuzulassen.

Ein Audio-Interview zu dem Themenkomp­lex mit Ð-Kolumnist Dr. Burkhard Jahn hören Sie unter www.ol.de/corona-podcast

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Dpa-BILD: Steffen Laufschuhe an und ab in die Natur: Die psychologi­sche Wirksamkei­t ist sogar wissenscha­ftlich bestätigt.

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