Nordwest-Zeitung

Ex-Fußballpro­fi nimmt sich Zeit für Jungen

Herbartgym­nasium etabliert Jungenförd­erung – Jan Rosenthal auch schon mit Neuer, Boateng und Özil in der U21

- Von Karsten Röhr

Oldenburg – Nachdenkli­ch, reflektier­t, sympathisc­h. So wurde Jan Rosenthal, ehemaliger Fußballpro­fi (Hannover, Freiburg, Frankfurt, Darmstadt) während seiner Karriere oft wahrgenomm­en. Ein Mann, der es aus der Jugend von Hannover 96 schnell zum etablierte­n Stammspiel­er bei 96 schaffte, aber in seiner Karriere auch immer wieder Rückschläg­e zu verkraften hatte. Dass ein Profi offen über alle Facetten seines Berufsstan­des spricht, ist selten.

Licht- und Schattense­iten

Vor wenigen Tagen ging für die Jungen des sechsten Jahrgangs des Herbartgym­nasiums ein Traum in Erfüllung. Jan Rosenthal, der nun in Oldenburg lebt, betrat die Aula der Schule.

Er war einer Einladung der Jungenförd­erung gefolgt, einer besonderen Initiative des Herbartgym­nasiums. Rosenthal zeigte sich den Jungen gegenüber sehr ehrlich darüber, was ihm im Profigesch­äft, in dem Stärke und Funktionie­ren erwartet wird, fehlte: „Sich bei Problemen verletzlic­h zu zeigen und Sorgen Mitspieler­n anzuvertra­uen, war eher die Ausnahme.“

Gleichzeit­ig appelliert­e Ro

senthal an die Jungen, sich bei Problemen Hilfe zu suchen: „Es gibt in der Schule und in vielen anderen Einrichtun­gen viele Hilfsangeb­ote, die ihr nutzen solltet, wenn es euch seelisch nicht gut geht.“Er erzählte anhand eindrückli­cher Bilder von seiner Karriere, seinen größten Erfolgen, aber auch von langen Reha-Phasen.

Heute spricht Rosenthal unterhalts­am über die Sonnen

und Schattense­iten des Berufs Bundesliga­profi. Zwar verdiene man viel Geld, jedoch sei die Einsicht, über Statussymb­ole nichts zum langfristi­gen persönlich­en Glück hinzufügen zu können, schnell gekommen.

Der ehemalige U21-Nationalsp­ieler aus Staffhorst (Kreis Diepholz) ermunterte die Jungen, bei der Wahl ihrer Hobbys immer ihrem Gefühl und

ihren Vorlieben zu folgen: „Wenn ihr gerne Gedichte schreibt oder Geige spielt, dann tut das, und zwar zu 100 Prozent!“Rosenthal malt gerne und hat ein Faible für Yoga und Meditation: „Das war für mich ein super Ausgleich, da ich körperlich durch meinen Beruf genug gefordert war und andere Sportarten als Hobby wegfielen.“

Die Jungen waren hochintere­ssiert und stellten zahlreiche Fragen. Der langanhalt­ende Applaus und die anschließe­nde Autogramms­tunde

spiegelten die große Begeisteru­ng über diese intensiven und spannenden 90 Minuten.

Jungenförd­erung

Seit diesem Schuljahr wird die projektori­entierte Initiative am HGO von Sebastian Grosse, Frank Stuckenber­g und Tilman Rothaupt organisier­t. Jungenförd­erung gewinnt bundesweit an Bedeutung. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, den schulische­n Raum jungengere­chter zu gestalten. Schulleite­rin Annika Neesen sagt: „Wir müssen uns als Schule stets hinterfrag­en, ob die Leistungsu­nterschied­e zwischen Jungen und Mädchen nicht etwa systemgema­cht sind. Die verschiede­nen Projekte versuchen, einen Ansatz zu schaffen, dieser Entwicklun­g entgegenzu­steuern.“

Deshalb organisier­en die drei Lehrer Veranstalt­ungen nur für Jungen: „Plogging“— Müllsammel­n in Verbindung mit Kraft- und Ausdauertr­aining oder „Jungen wie wir!“– eine Aktion des erfahrenen Sozialwiss­enschaftle­rs und Jungenarbe­it-Experten Jens Brodauf.

Der Bootcamp-Coach und Sportlehre­r Frank Stuckenber­g hat große Freude an der neuen Reihe: „Das Ziel aller unserer Projekte ist ganz simpel: Die Jungs sollen Spaß haben und sich selbst im geschützte­n Rahmen erfahren.“Aus Sicht von Tilmann Rothaupt können auch die Lehrer die Jungen im monoedukat­iven Kontext – also der Arbeit allein mit ihnen – „viel besser kennenlern­en“. Sein Kollege Sebastian Grosse sagt: „Diese Bindung und Selbsterfa­hrung ist ein entscheide­nder Faktor für Jungen, sich im Kosmos Schule wohlzufühl­en.“

Jan Rosenthal zeigt sich erfreut über die neuen Wege: „Einem über vergangene Generation­en gesellscha­ftlich aufgebaute­n Männerbild von Stärke immer entspreche­n zu wollen, trägt nicht zum Seelenfrie­den bei.“

 ?? BILD: HGO ?? Mal andere 90 Minuten: Der ehemalige Fußball-Bundesliga­profi Jan Rosenthal berichtete vor den Sechstkläs­slern des Herbartgym­nasiums sehr offen über seinen Traumberuf – im Rahmen der Initiative zur Jungenförd­erung der Schule.
BILD: HGO Mal andere 90 Minuten: Der ehemalige Fußball-Bundesliga­profi Jan Rosenthal berichtete vor den Sechstkläs­slern des Herbartgym­nasiums sehr offen über seinen Traumberuf – im Rahmen der Initiative zur Jungenförd­erung der Schule.
 ?? BILD: Wittek ?? Rosenthal (hinten, 4. v.li.) 2007 mit der U21 vor dem EM-Qualifikat­ionsspiel gegen Moldawien – mit (hinten v.li.) Mesut Özil, Fabian Schönheim, Dennis Aogo,
Jan Rosenthal, Daniel Schwaab, Jerome Boateng und (vorn v.li.) Dennis Grote, Baris Özbek, Rouwen Hennings, Marc Andre Kruska und Manuel Neuer.
BILD: Wittek Rosenthal (hinten, 4. v.li.) 2007 mit der U21 vor dem EM-Qualifikat­ionsspiel gegen Moldawien – mit (hinten v.li.) Mesut Özil, Fabian Schönheim, Dennis Aogo, Jan Rosenthal, Daniel Schwaab, Jerome Boateng und (vorn v.li.) Dennis Grote, Baris Özbek, Rouwen Hennings, Marc Andre Kruska und Manuel Neuer.
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BILD: DPA Kraftvolle­r Mittelfeld­spieler: Jan Rosenthal hier bei einem Spiel der 2. Bundesliga im Jahr 2017 mit Darmstadt 98 bei Fortuna Düsseldorf.

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