Ex-Fußballprofi nimmt sich Zeit für Jungen
Herbartgymnasium etabliert Jungenförderung – Jan Rosenthal auch schon mit Neuer, Boateng und Özil in der U21
Oldenburg – Nachdenklich, reflektiert, sympathisch. So wurde Jan Rosenthal, ehemaliger Fußballprofi (Hannover, Freiburg, Frankfurt, Darmstadt) während seiner Karriere oft wahrgenommen. Ein Mann, der es aus der Jugend von Hannover 96 schnell zum etablierten Stammspieler bei 96 schaffte, aber in seiner Karriere auch immer wieder Rückschläge zu verkraften hatte. Dass ein Profi offen über alle Facetten seines Berufsstandes spricht, ist selten.
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Licht- und Schattenseiten
Vor wenigen Tagen ging für die Jungen des sechsten Jahrgangs des Herbartgymnasiums ein Traum in Erfüllung. Jan Rosenthal, der nun in Oldenburg lebt, betrat die Aula der Schule.
Er war einer Einladung der Jungenförderung gefolgt, einer besonderen Initiative des Herbartgymnasiums. Rosenthal zeigte sich den Jungen gegenüber sehr ehrlich darüber, was ihm im Profigeschäft, in dem Stärke und Funktionieren erwartet wird, fehlte: „Sich bei Problemen verletzlich zu zeigen und Sorgen Mitspielern anzuvertrauen, war eher die Ausnahme.“
Gleichzeitig appellierte Ro
senthal an die Jungen, sich bei Problemen Hilfe zu suchen: „Es gibt in der Schule und in vielen anderen Einrichtungen viele Hilfsangebote, die ihr nutzen solltet, wenn es euch seelisch nicht gut geht.“Er erzählte anhand eindrücklicher Bilder von seiner Karriere, seinen größten Erfolgen, aber auch von langen Reha-Phasen.
Heute spricht Rosenthal unterhaltsam über die Sonnen
und Schattenseiten des Berufs Bundesligaprofi. Zwar verdiene man viel Geld, jedoch sei die Einsicht, über Statussymbole nichts zum langfristigen persönlichen Glück hinzufügen zu können, schnell gekommen.
Der ehemalige U21-Nationalspieler aus Staffhorst (Kreis Diepholz) ermunterte die Jungen, bei der Wahl ihrer Hobbys immer ihrem Gefühl und
ihren Vorlieben zu folgen: „Wenn ihr gerne Gedichte schreibt oder Geige spielt, dann tut das, und zwar zu 100 Prozent!“Rosenthal malt gerne und hat ein Faible für Yoga und Meditation: „Das war für mich ein super Ausgleich, da ich körperlich durch meinen Beruf genug gefordert war und andere Sportarten als Hobby wegfielen.“
Die Jungen waren hochinteressiert und stellten zahlreiche Fragen. Der langanhaltende Applaus und die anschließende Autogrammstunde
spiegelten die große Begeisterung über diese intensiven und spannenden 90 Minuten.
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Jungenförderung
Seit diesem Schuljahr wird die projektorientierte Initiative am HGO von Sebastian Grosse, Frank Stuckenberg und Tilman Rothaupt organisiert. Jungenförderung gewinnt bundesweit an Bedeutung. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, den schulischen Raum jungengerechter zu gestalten. Schulleiterin Annika Neesen sagt: „Wir müssen uns als Schule stets hinterfragen, ob die Leistungsunterschiede zwischen Jungen und Mädchen nicht etwa systemgemacht sind. Die verschiedenen Projekte versuchen, einen Ansatz zu schaffen, dieser Entwicklung entgegenzusteuern.“
Deshalb organisieren die drei Lehrer Veranstaltungen nur für Jungen: „Plogging“— Müllsammeln in Verbindung mit Kraft- und Ausdauertraining oder „Jungen wie wir!“– eine Aktion des erfahrenen Sozialwissenschaftlers und Jungenarbeit-Experten Jens Brodauf.
Der Bootcamp-Coach und Sportlehrer Frank Stuckenberg hat große Freude an der neuen Reihe: „Das Ziel aller unserer Projekte ist ganz simpel: Die Jungs sollen Spaß haben und sich selbst im geschützten Rahmen erfahren.“Aus Sicht von Tilmann Rothaupt können auch die Lehrer die Jungen im monoedukativen Kontext – also der Arbeit allein mit ihnen – „viel besser kennenlernen“. Sein Kollege Sebastian Grosse sagt: „Diese Bindung und Selbsterfahrung ist ein entscheidender Faktor für Jungen, sich im Kosmos Schule wohlzufühlen.“
Jan Rosenthal zeigt sich erfreut über die neuen Wege: „Einem über vergangene Generationen gesellschaftlich aufgebauten Männerbild von Stärke immer entsprechen zu wollen, trägt nicht zum Seelenfrieden bei.“