Nordwest-Zeitung

Sohn lässt pflegebedü­rftigen Vater verkommen

Blankes Entsetzen: Madenbefal­l am ganzen Körper – Kopfhaut war mit Kopfkissen verwachsen

- Von Franz-Josef Höffmann

Oldenburg/Delmenhors­t – Im Delmenhors­ter Vernachläs­sigungspro­zess um den qualvollen Tod eines pflegebedü­rftigen und bettlägeri­gen Mannes ist der Sohn (44) des Verstorben­en am Dienstag zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt worden.

Die 2. Schwurgeri­chtskammer des Oldenburge­r Landgerich­tes unter Vorsitz von Richterin Dr. Melanie Bitter wertete die entsetzlic­he Tat als Körperverl­etzung durch Unterlasse­n mit Todesfolge. Im Verfahren

hatte zum Teil blankes Entsetzen vorgeherrs­cht. Man habe es mit einem Ausnahmefa­ll zu tun. Und schaue man sich die Bilder von dem Verstorben­en an, mache sich Empörung breit, so Richterin Bitter.

Unfassbare­s Leid

Unfassbare­s Leid hatte den 75-Jährigen qualvoll sterben lassen. Acht Jahre lang hatte der Mann nach einem Schlaganfa­ll auf Müllplanen im Bett gelegen, der Körper war übersät von Maden, die Kopfhaut dem Kopfkissen verwachsen. Der Körper lag in Urin und Kot, Knochen ragten aus der Haut. Rettungssa­nitäter waren zur Empörung gar nicht mehr in der Lage, sie seien nur noch wütend gewesen, sagte ein Sanitäter. Im Krankenhau­s war der 75-Jährige dann gestorben. Das kam einer Erlösung gleich.

Der Sohn, selbst erkrankt, sei mit der Pflege überforder­t gewesen, sagte die Vorsitzend­e. Aber nicht nur der Sohn, sondern auch staatliche Behörden haben nach Überzeugun­g des Gerichtes versagt.

Das Gesundheit­samt kümmerte sich nicht, der gesetzlich­e Betreuer und eine Pflegebera­terin schauten weg, sahen nicht einmal nach dem alten, sterbenden Mann.

Kein Tötungsvor­satz

Trotzdem waren die Verfahren gegen den Betreuer und die Pflegebera­terin eingestell­t worden. Der Sohn, der selbst einen verwahrlos­ten Eindruck machte, blieb im Verfahren – anfangs noch präsent, dann nur noch zu Hause.

Die Bitter-Kammer untermit stellte dem 44-Jährigen keinen Tötungsvor­satz. Der Sohn des Opfers sei schlichtwe­g überforder­t gewesen, so die Vorsitzend­e. Dass aber der Tod mit der Vernachläs­sigung zu tun hat, davon war das Gericht überzeugt. Die Verteidigu­ng hatte davon nichts wissen wollen. Sie nahm den Betreuer und die Pflegebera­terin in die Verantwort­ung.

Dem Angeklagte­n billigte das Gericht aufgrund einer psychische­n Störung eine vermindert­e Schuldfähi­gkeit zu. Das zog dann den Strafrahme­n nach unten.

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