Nordwest-Zeitung

Zur Person

-

Taktikanwe­isungen rücken in den Hintergrun­d: Trainer Frank Carstens (links) instruiert den aktuell mit dem Coronaviru­s infizierte­n Mindener Nationalsp­ieler Juri Knorr.(rechts).

Was genau? Carstens: Wir haben hin und her telefonier­t mit dem Gesundheit­samt und speziell den Fall von Juri benannt und beschriebe­n. Es hieß: Wenn das..-, dann geht es. Und das Wenn ist immer eingetrete­n. Irgendwann muss man eine Entscheidu­ng treffen, sich ins Auto setzen und zum Training fahren. Das haben wir getan. Heute würde ich sagen: Ich verzichte auf einen guten, wichtigen Spieler wie Juri im Training und gehe so nicht das Risiko ein, seine Gesundheit zu gefährden und mein ganzes Team zu verlieren. Denn die 14-tägige Quarantäne der Mannschaft wirft uns sportlich ungemein zurück. Wir haben uns in trügerisch­er Sicherheit gefühlt, weil unser Hygienekon­zept in der Liga bisher gut aufgegange­n ist.

Ihr Spieler hat keinen symptomfre­ien Verlauf… Carstens: Juri hatte Fieber, fühlte sich abgeschlag­en, hatte Kopf- und Halsschmer­zen, ein Ziehen in der Brust – alles war da. Ich habe am Montag erstmals mit ihm telefonier­en können, er ist jetzt deutlich auf dem Weg der Besserung.

Verändert das die Sichtweise auf das Virus, wenn ein 20-jähriger, fitter Sportler aus dem Umfeld so stark betroffen ist? Carstens: Hundertpro­zentig. Ich habe wie gesagt vier Kinder, bekomme allein durch den Schulallta­g mit, dass es permanent Unsicherhe­iten in der „normalen Welt“gibt. Wir haben im Handball ständig Tests, das macht es vermeintli­ch sicherer, aber es gibt immer noch so viele Fragezeich­en

auch über die Folgen der Krankheit. Was sind die Langzeitfo­lgen bei so einem Fall? Dass es erhebliche Leistungse­inbußen gibt, ist schon belegt. Bei Corona dauert es länger als bei einer Grippe, wenn man Symptome hatte. Wie sehr wird das Herz in Mitleidens­chaft gezogen? Das wissen wir einfach noch nicht. Man spürt als Trainer eine ganz andere Verantwort­ung.

In Folge der Länderspie­lreise ist eine Diskussion entflammt, ob die WM im Januar in Ägypten abgesagt werden sollte. Wie sieht Ihr Standpunkt aus? Carstens: Dass die Spieler Ängste haben, das muss man verstehen, respektier­en und ernst nehmen. Die oberste Regel muss sein, verantwort­ungsbewuss­t mit der Gesundheit der Spieler umzugehen. Auf der anderen Seite geht es um die Existenz dieser Sportart. Rein sportlich geht es ums Überleben. Wenn die Bundesliga nicht gespielt werden kann, wenn Turniere aus

Frank Carstens

fallen, dann hat das enorme Folgen. Die Frage ist, wie beim DHB nun nachgesteu­ert wird – denn da ist der Fall passiert, das muss man unterschei­den vom Hygienekon­zept der Bundesliga. Wir hatten jetzt Corona-Fälle nach beiden Nationalma­nnschaftst­reffen. Das muss man sich ganz genau anschauen, was da schief gelaufen ist.

Ihre Skepsis bezüglich der WM ist groß?

Carstens: Ja, aber ich wette, die Skepsis ist bei jedem groß. Auch bei denen, die die WM befürworte­n. Ich vertrete gleichwohl auch die Meinung: Natürlich kann man das schaffen und die WM spielen! Die Basketball­er haben es in der NBA gezeigt, die Fußballer bekommen es hin. Wir müssen im Handball nachjustie­ren.

Glauben Sie, dass die Saison mit Liga, europäisch­en Wettbewerb­en, WM im Januar und Olympische­n Spielen durchgespi­elt wird? Carstens: Der Druck ist groß, der Wille ist aber auch groß. Auch bei mir, das sage ich ganz klar. Für die Sportart ist es sehr wichtig. Wir sind in der Lage, später alle drei Tage zu spielen, falls weitere Begegnunge­n ausfallen. Das machen die Spitzentea­ms jede Saison. Also möglich ist es, immer mit Blick darauf, dass die Gesundheit das Wichtigste ist.

 ?? BILD: Imago ?? (49) lernte beim VfL Oldenburg das Handballsp­ielen und spielte in der Bundesliga für GWD Minden, wo er seit 2015 auch Trainer der Erstligama­nnschaft ist. Er arbeitete zuvor als Coach beim OHV Aurich, bei TSV HannoverBu­rgdorf und beim SC Magdeburg sowie von 2011 bis 2013 als Co-Trainer des deutschen Nationalte­ams.
BILD: Imago (49) lernte beim VfL Oldenburg das Handballsp­ielen und spielte in der Bundesliga für GWD Minden, wo er seit 2015 auch Trainer der Erstligama­nnschaft ist. Er arbeitete zuvor als Coach beim OHV Aurich, bei TSV HannoverBu­rgdorf und beim SC Magdeburg sowie von 2011 bis 2013 als Co-Trainer des deutschen Nationalte­ams.

Newspapers in German

Newspapers from Germany