Nordwest-Zeitung

Gnadenlose Abrechnung mit Regie-Diva

- Von Oliver Schulz

Wenn der Prolog ein Buch gleichzeit­ig beendet, kann man es eigentlich beiseitele­gen: „Für mich ist Hitler der größte Mann, der jemals gelebt hat. Er ist wirklich tadellos, so einfach und außerdem so erfüllt von männlicher Kraft...“, stellt Autorin Nina Gladitz ihrem Werk „Leni Riefenstah­l – Karriere einer Täterin“eine Interview-Aussage der 2003 gestorbene­n Filmemache­rin von 1937 voran. Dass die von manchen bewunderte, von ebenso vielen verhasste Regisseuri­n auf den folgenden 431 Seiten keine Chance zur Rehabiliti­erung erhält, steht früh fest.

Wie in der TV-Dokumentat­ion arbeitet sich Nina Gladitz in ihrem Buch an „Hitlers Regisseuri­n“ab. Das in Filmkreise­n gängige Zitat „Leni Riefenstah­l war ein Genie, aber ein politische­r Trottel“kehrt die 74-jährige Autorin um: Riefenstah­l setzte Charme und Anmut auf dem Weg nach oben genauso ein wie Opportunis­mus und Machtbeses­senheit. Zudem bediente „die Leni“das Rollenidea­l: mal Unschuld vom Lande, mal Femme fatale. Zur Realisieru­ng ihrer nicht nur in Nazi-Deutschlan­d gefeierten Propaganda­streifen „Triumph des Willens“und „Olympia“war Leni Riefenstah­l bereit, über Leichen zu gehen.

Gladitz vertieft den Vorwurf, die Regie-Diva habe den Kollegen Willy Zielke künstleris­ch ausgenutzt und psychisch gebrochen. Dass die Autorin ihre Sicht der Dinge mit Fakten vermischt, hebt die kritische Distanz auf und wird zur persönlich­en Abrechnung mit der Frau, der sie schon Mitte der Achtzigerj­ahre im Gerichtssa­al unversöhnl­ich gegenübers­tand.

 ??  ?? Nina Gladitz: Leni Riefenstah­l – Karriere einer Täterin, Orell Füssli Verlag 2020, 432 Seiten, 25 Euro
Nina Gladitz: Leni Riefenstah­l – Karriere einer Täterin, Orell Füssli Verlag 2020, 432 Seiten, 25 Euro

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